Herr Böhmermann, Herr Erdogan und die Ziege - Warum "Satire" nicht alles darf !

Nachdem das "Schmähgedicht" des Herrn Böhmermann nun Politik und Medien über Tage beschäftigt und -wie scheinbar alles heutzutage- eine Spaltung der Gesellschaft herbeigeführt hat, sehe auch ich mich genötigt einige Ausführungen zur Rechtslage zu machen.

 

Sicher, der türkische Präsident ist nach unseren, mitteleuropäischen Maßstäben nicht gerade ein Sympath. Er greift in die Unabhängigkeit der türkischen Justiz ein und ist ein Freund der Pressezensur. Die Achtung der Menschenrechte in der Türkei darf man mit Fug und Recht ausbaufähig nennen.

 

Doch darf man ihm deshalb -natürlich "scherzhaft"- unterstellen, dass er "Mädchen schlägt", Geschlechtsverkehr mit Ziegen und Schafen durchführt oder ihn mit Wolfgang Přiklopil, dem Entführer von Natascha Kampusch gleichsetzen ? Darf man ihn "doof, feige und verklemmt" nennen ?

 

Unsere Rechtsordnung sagt "Nein !".

 

Das liegt zunächst an unseren Grundrechten. Denn auch wenn der Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes die Meinungsfreiheit und der Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes die Kunstfreiheit schützt, gelten sie nicht grenzen- oder wie der Jurist sagt, schrankenlos. Die Menschenwürde des Artikel 1 Grundgesetz steht dem -zu Recht- entgegen.

 

Natürlich muss es möglich sein, scharfe Kritik zu üben und das ist es auch. Schon der § 193 StGB schränkt die Strafbarkeit einer Beleidigung im Sinne des § 185 StGB bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen enorm ein. Strafbar ist in diesem Zusammenhang nur die "Schmähkritik".

 

Dieser vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Begriff (z.B. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. März 2009 – 1 BvR 2650/05 –, zitiert nach juris, dort Rn. 31 mit weiteren Nachweisen) bezeichnet eine Kritik ohne wesentlichen Sachbezug. Die Schmähkritik hat im Gegensatz zur, von der Meinungsfreiheit noch gedeckten Kritik eine, allein persönlich diffamierende und herabsetzende Zielrichtung (so auch: Meyer-Goßner, StPO, 61. Auflage, § 193, Rn. 18 mit weiteren Nachweisen).

 

Da aber ein -auch nur teilweises- Verbot von Kritik in die Meinungsfreiheit eingreift, ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen (so z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 07. Mai 2015 – III-5 RVs 55/15, 5 RVs 55/15 –, zitiert nach juris, dort Rn. 15). Überzogene und ausfällige Kritik fällt deshalb nicht darunter und wäre dementsprechend wegen der Wahrnehmung berechtigter Interessen erlaubt.

 

Da das Oberlandesgericht Hamm (aaO) es so treffend ausdrückt wird es im Wortlaut zitiert: "...Hinzutreten (Anmerkung: zur überzogenen und ausfälligen Kritik) muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende  persönliche Kränkung."

 

Insoweit hat Herr Böhmermann "den Nagel auf den Kopf getroffen", wenn er sein Werk als "Schmähgedicht" und strafbar bezeichnet.

 

Das "Schmähgedicht" des Herrn Böhmermann hat keinen Sachbezug, sondern sich richtet sich gegen Herrn Erdogan als Person. Es behauptet ausschließlich Eigenarten und Verhaltensweise der Person, nicht des Präsidenten Erdogan. Das -zu vermutende- sachliche Anliegen, nämlich die Kritik Böhmermanns an dem Verhalten des türkischen Präsidenten gegenüber der Satire der NDR Sendung "extra3" tritt vollständig hinter den persönlichen Angriffen zurück. Es handelt sich um reine Schmähkritik.

 

Wenn die Rechtslage doch eigentlich recht klar ist, warum dann diese Diskussion ?

 

Die Antwort ist einfach.

 

Es geht nicht um das Recht, sondern um Sympathie und Vorurteile. Dabei wird auch die Bigotterie in unserer Gesellschaft deutlich. 

 

Solange es sich um einen türkischen Präsidenten handelt, sind derartige Beleidigungen in Ordnung. Beim eigenen Vater oder dem besten Freund nicht. Ich glaube kaum, dass wenn Derartiges über Angela Merkel gesagt worden wäre, ein Mitglied des Springer-Vorstands dies als "Kunst" bezeichnet hätte.

 

Das Ganze lässt sich weiter spinnen. Sterben Dutzende Menschen bei einem Anschlag in Pakistan, sehe ich keine Flaggen Pakistans in den Profilbildern sozialer Netzwerke. Werden in Syrien ganze Straßenzüge zerbombt und zerschossen ist unsere einzige Sorge, dass die ehemaligen Bewohner den Weg in unser schönes Deutschland finden. Wird über ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Besitzes von Jugendpornographie berichtet, wird öffentlich dazu aufgefordert den Beschuldigten zu töten oder doch zumindest zu kastrieren, gleichzeitig ist eine der beliebtesten Kategorien bei der Suche nach Pornographie in Deutschland "Teen". Es wird also explizit nach pornographischen Darstellungen mit Personen unter 20 Jahren gesucht.

 

Man könnte diese Beispiele beinahe unendlich weiterführen. Doch am Ende muss klar sein, dass das (Grund-)Recht gelten muss. Immer und für jeden. Das ist anstrengend und oft ärgerlich, doch für unsere Freiheit unerlässlich.

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