Bundesgerichtshof bleibt bei seiner fragwürdigen Haltung bei Verstößen gegen den Richter-Vorbehalt

Wer sich bereits mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Beweisverwertungsverboten bei Verstößen gegen den Richter-Vorbehalt auseinandergesetzt hat, den wird die im Folgenden kommentierte Entscheidung kaum überraschen.

 

Für alle anderen, hier zunächst ein paar Hintergründe:

 

Nach den §§ 102, 103 und 105 StPO muss eine Durchsuchung bei einem Beschuldigten oder einem Dritten im Regelfall von einem Richter angeordnet werden. Eine Ausnahme hiervon kann nur gemacht werden, wenn "Gefahr in Verzug" vorliegt. Was unter "Gefahr in Verzug" zu verstehen ist, ist hier zu lesen.

 

Die Frage die Beschuldigte und Verteidiger gleichermaßen interessiert ist nun was die Folgen eines Verstoßes gegen diesen sogenannten Richter-Vorbehalt sind, was also passiert wenn eine Durchsuchung -ohne das Gefahr in Verzug vorliegt- nicht von einem Richter angeordnet wird.

 

Hier vertrete ich -wie viele andere Kollegen auch- die Auffassung, dass wenn Beweismittel entgegen einer Regelung der Strafprozessordnung die die Rechte des Beschuldigten schützen soll, gewonnen werden, ein Verwertungsverbot besteht. Das bedeutet, die im Rahmen einer solchen -rechtswidrigen- Durchsuchung gewonnenen Informationen (z.B. Dokumente) dürfen bei einer Urteilsfindung nicht berücksichtigt werden.

 

Und damit komme ich zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die dies etwas anders sieht. Aktuell bestätigt der 2. Strafsenat (Urteil v. 17.02.2016, 2 StR 25/15), dass ein Beweisverwertungsverbot bei Verstößen gegen den Richter-Vorbehalt nur dann in Betracht kommt, wenn dieser bewusst umgangen wurde oder ähnlich schwerwiegend verletzt wird. Konkret führt der Senat hierzu aus:

 

"Aus dem Verfahrensfehler ergibt sich jedoch kein Beweisverwertungsverbot.

 

(Anmerkung: In dem zu entscheidenden Fall war das Fahrzeug, welches vom Beschuldigten geführt wurde (dieser war bei einer Kontrolle nach Verriegelung des Fahrzeugs geflohen), auf einer Verwahrstelle abgestellt und später das Fahrzeug aufgebrochen worden. Dabei wurde der im Fahrzeug befindliche Rucksack durchsucht und hierdurch die Personalien des Beschuldigten festgestellt. Erst später wurde das Fahrzeug weitergehend durchsucht und eine Geldkassette gefunden, die ebenfalls geöffnet wurde. Dabei wurden erhebliche Mengen Amphetamin gefunden. Der Verteidiger hatte der Verwertung widersprochen und das Landgericht hatte die Beweismittel trotzdem verwendet.)


Ob dies der Fall ist, muss nach der Rechtsprechung im Einzelfall aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprüft werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 27). Dies gilt auch für eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289 ff.). Die Abwägung ergibt, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweisgewinnung nicht erheblich beeinträchtigt hat und das Interesse an der Verwertung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiegt.


Dabei fällt ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten geht, der einschlägig vorbestraft ist. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der Justizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, ist auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 291; Urteil vom 15. Februar 1989 – 2 StR 402/88, NStZ 1989, 375, 376 mit Anm. Roxin; KK/Bruns, StPO § 105 Rn. 21; krit. MünchKomm/Hauschild, StPO, 2014, § 105 Rn. 39; LR/Tsambikakis, StPO § 105 Rn. 149). Sie führt dazu, dass aus der ohne richterliche Gestattung erfolgten Durchsuchung kein Beweisverwertungsverbot resultiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, liegen nicht vor."

 

Zu dieser Argumentation kann man viel (Kritisches) schreiben. Für diesen Beitrag möchte ich jedoch nur auf den -meines Erachtens- gefährlichsten Umstand hinweisen.

 

Sanktioniert die Rechtsprechung derartige Verstöße gegen essenzielle Verfahrensvorschriften nicht konsequent, werden diese sinnentleert. Eine Ermittlungsbehörde wird sich zumindest auf lange Sicht nicht an Regelungen halten, wenn ein Verstoß keine Auswirkungen hat. Allein deshalb ist dafür zu plädieren, diese Verstöße konsequent durch die Annahme von Beweisverwertungsverboten zu sanktionieren.

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