Da die Wahl am kommenden Sonntag immer näher kommt und noch so einige Parteiprogramme auf Pläne und Ziele mit strafrechtlichem Bezug hin zu überprüfen sind, gibt es bereits heute einen neuen Beitrag.
Ich habe mir hier das Wahlprogramm der FDP heruntergeladen, welches mit insgesamt 86 Seiten doch recht lang ist. Auf Seite 55 des pdf.-Dokuments heißt es unter der Überschrift "Effektive Justiz":
"Die FDP lehnt entschieden jede politische Einflussnahme auf Staatsanwaltschaften ab. Politisch motivierte Kriminalität von Links- und Rechtsextremisten, Kriminalität gegen Ausländer und solche durch Ausländer sind Herausforderungen, denen sich der Rechtsstaat mit der gebotenen Neutralität stellen muss."
An dieser Aussage kann nicht viel kommentiert werden. Die Justiz ist als dritte Gewalt nach unserer Rechtsordnung weitgehend unabhängig. Staatsanwaltschaften sind jedoch Behörden und als solche auch in die Behördenhierarchie eingebunden. Politisch kann eine Einflussnahme deshalb sein, weil an der Spitze eines Justizministeriums ein Justizminister bzw. -ministerin steht. Dieses Amt ist ein politisches, so dass hier die Exekutive Einfluss auf die Judikative nehmen kann. Besonders problematisch ist das Absehen von Verfolgung, da in diesen Fällen keine andere Stelle außer der angewiesenen Staatsanwaltschaft Einfluss auf das Vorgehen haben kann. Demnach kann dieser Forderung, die auch von anderen Parteien -mehr oder weniger konsequent- gestellt wird, zugestimmt werden.
Weiter heißt es:
"Jugendkriminalität gilt es schnell und effektiv zu bekämpfen. Im Jugendstrafrecht sind frühzeitige und präventiv wirkende Maßnahmen besonders notwendig. Besonders für jugendliche Straftäter muss durch beschleunigte Verfahren verdeutlicht werden, dass die Justiz schnell und wirksam auf kriminelles Handeln reagiert."
Die Forderung ist richtig und so auch bereits im Gesetz vorgesehen. Nach §§ 76ff. JGG ist es möglich ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren durchzuführen. Wie sich aus § 78 Abs. 3 Satz 1 JGG
ergibt, kann in einem solchen Verfahren auch zum Zwecke der Beschleunigung von Verfahrensvorschriften abgewichen werden. Darüber hinaus ist im Jugendstrafrecht ein allgemeiner
Beschleunigungsgrundsatz anerkannt (Eisenberg, JGG, 11. Auflage, § 18, Rn. 15e mit Hinweis auf BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Februar 2003 – 2 BvR
327/02, 2 BvR 328/02, 2 BvR 1473/02 –, zitiert nach juris). Begründet wird dies zu Recht mit dem Umstand, dass insbesondere bei Jugendlichen die Zeitspanne zwischen der Verfehlung und der
Sanktion kurz sein muss, damit der Jugendliche diese noch als Folge seines Fehlverhaltens begreift.
Nur übertreiben sollte man die Beschleunigung nicht. Ein sehr schnelles Verfahren bzw. ein schneller Verfahrensabschluss birgt die Gefahr einer nur oberflächlichen Sachaufklärung und von Fehlern, die sich nicht zuletzt auch für den Betroffenen nachteilig auswirken können.
Diese Bedenken sind jedoch aus Sicht eines Strafverteidigers unbegründet, wenn man weiter liest, wie die FDP die Beschleunigung herbeizuführen gedenkt. Denn so heißt es weiter:
"Ziel aller Strafverfahren muss sein, dass die Urteile mit den Taten noch in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, damit die Sanktion auch Wirksamkeit entfaltet. Ermittlungs- und Fahndungserfolge dürfen nicht an einer unzureichenden Besetzung oder Ausstattung von Staatsanwaltschaften oder Gerichten scheitern. Die notwendigen gesetzlichen Instrumente sind vorhanden. Trotzdem vergehen in Strafverfahren immer wieder Monate bis zur Anklageerhebung und weitere bis zur Hauptverhandlung. Der Schlüssel für eine Verkürzung der Strafverfahren sind eine gründliche Ermittlungsarbeit und sachgerechte Abarbeitung durch die Strafverfolgungsbehörden. Beides ist personalintensiv."
Es ist ersichtlich, dass die FDP die Beschleunigung nicht um jeden Preis erreichen will, sondern das Problem -zutreffend- an der fehlenden personellen Ausstattung von Gerichten und Staatsanwaltschaften festmacht. Wie gezeigt sind im Jugendstrafrecht tatsächlich Instrumente vorhanden, um Verfahren schneller abzuschließen. Gleiches gilt auch für das allgemeine Strafrecht, da die §§ 417ff. StPO die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens vorsehen.
Abschließend postioniert sich die FDP auch zum Thema Opferschutz:
"Der Opferschutz ist ein zentrales Anliegen im Rechtsstaat liberaler Prägung. Niemand darf als
Opfer mit den Folgen einer Tat allein gelassen werden. Konkrete Hilfsangebote, auch in Zusammenarbeit mit freien Trägern, müssen vorgehalten und koordiniert werden."
Diese Aussage weist keinen Bezug zum Strafverfahren auf, was ich begrüße. Ein Opfer -und eigentlich wird aus dem Zeugen erst nach Abschluss des Verfahrens ein Opfer- kann und sollte in einem Strafverfahren ausschließlich zur Sachaufklärung beitragen. Der Strafprozess ist nicht als Auseinandersetzung zwischen Angeklagtem und -mutmaßlich- Geschädigtem ausgestaltet. Der Strafprozess soll aufklären ob eine Straftat vorliegt und ob der Angeklagte diese Tat begangen hat. Erst dann wiegt das Gericht die Schuld und bestraft den Angeklagten entsprechend dieser Schuld. Zivilrechtliche Ansprüche spielen dabei nur insoweit eine Rolle, wenn ein Adhäsionsverfahren anhängig gemacht wird. Auch die Bedürfnisse des Opfers können und dürfen in einem Strafprozess nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das bedeutet indes nicht, dass ein Opfer "allein gelassen" werden sollte oder keine Rechte haben kann. Ein Geschädigter kann sich sowohl als Nebenkläger mit umfangreichen Frage- und Beweisantragsrechten als auch als Adhäsionskläger am Strafverfahren beiteiligen. Nur kann sich der Strafprozess nicht um das Opfer drehen, da dies seinem Sinn -wie dargestellt- widerspricht. Hilfe durch psychologische, medizinische und soziale Betreuung und Hilfestellung steht dem nicht entgegen. Allerdings müssen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafprozesses gewahrt bleiben. Dazu gehören insbesondere die Unschuldsvermutung und der Zweifelssatz. Vorverurteilungen ist -auch zu Lasten des Opferschutzes- entgegenzuwirken.
Alles in Allem kann man das Programm der FDP zumindest in puncto Strafrecht als erfrischend sinnvoll. Anders als die bisher besprochenen Parteien hat die FDP sich nicht falsch verstandene Härte sondern sinnvolle Evaluation und Reaktionen, die scheinbar dem Stand der Wissenschaft entsprechen, auf die Fahnen geschrieben.
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