Die -strafrechtliche- Verantwortung in Unternehmen wird ständig diskutiert, sei es die Frage ob Deutschland ein Unternehmensstrafrecht benötigt oder der "VW-Abgas-Skandal".
Grundlage für derartige Diskussionen ist nicht selten der Umstand, dass Unternehmen sich in Deutschland nicht strafbar machen können (siehe zur Frage einer Unternehmensstrafbarkeit auch hier). Nach § 14 StGB haften für, in Unternehmen begangene Straftaten dessen Vertretungsberechtigte wie z.B. der Geschäftsführer.
In der Praxis kommt es jedoch vor, dass nicht der formelle Geschäftsführer nach § 6 GmbHG, sondern eine nicht im Handelsregister eingetragene Person die -faktisch- die Geschäfte des Unternehmens, hier: einer GmbH führt. Der formelle Geschäftsführer agiert insoweit nur als Strohmann. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes definiert den faktischen Geschäftsführer als eine Person, die mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie als Geschäftsführer wahrgenommen wird (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02, zitiert nach juris, dort Rn. 26).
Streitig war in der Vergangenheit u.a. das Verhältnis des faktischen Geschäftsführers zum formellen Geschäftsführer. So wurde teilweise vertreten, dass wenn dem formellen Geschäftsführer als Strohmann im Innenverhältnis keine besonderen Kompetenzen übertragen wurden und dieser deshalb keinen Einfluss auf die wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung nehmen konnte, dies eine strafrechtliche Verantwortung begrenzen oder gar ausschließen könnte (OLG Hamm, Beschluss vom 10. Februar 2000 – 1 Ss 1337/99 –, zitiert nach juris, dort im Leitsatz).
Dem trat der Bundesgerichtshof seit jeher entgegen (siehe nur BGH, aaO) und bekräftigt dies in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Beschluss v. 13.10.2016 - 3 StR 352/16, StraFo 1/17, 35). Demnach begründe bereits die Stellung als formeller Geschäftsführer dessen Verantwortlichkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da dieser von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten habe. Der § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB knüpfe an die Verantwortlichkeit an die Organstellung und nicht an ein ggf. bestehendes Anstellungsverhältnis. Für die in der Praxis durchaus bestehenden Fälle in denen die Kompetenzen des Geschäftsführers vertraglich erheblich beschnitten sind, hat der Bundesgerichtshof eine pragmatische Lösung. So "kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, andernfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen."
Insofern ist die Entscheidung dahingehend verstanden werden, dass der formelle Geschäftsführer der sich in eine Machtlosigkeit begibt, strafrechtlich hieraus keinen Nutzen ziehen kann. Vielmehr läuft er Gefahr, aufgrund der ebenfalls vom BGH kreierten Überwachungspflichten gegenüber dem faktischen Geschäftsführer sein Haftungsrisiko zu erhöhen (zu den Überwachungspflichten: BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02 –, zitiert nach juris, dort Rn. 25).
Dennoch gibt es auch in diesen Fällen weiterhin Fragen und damit Verteidigungsansätze, die nicht gänzlich unerörtert bleiben sollen.
Wie auch der Bundesgerichtshof erkannt hat, kann der Geschäftsführer einer GmbH seine Aufgaben delegieren (BGH, aaO). Er muss dann jedoch die Erfüllung dieser Aufgaben sicherstellen wobei er sich nach einer beanstandungsfreien Einarbeitungszeit darauf verlassen darf. Überwachungspflichten, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls bemisst, bleiben jedoch bestehen. Selbst der Umstand, dass neben dem formellen Geschäftsführer ein faktischer Geschäftsführer existiert, führt nicht zwangsläufig zu einer Verantwortlichkeit für von diesem begangenen Straftaten. Die strafrechtliche Schuld ist nach den allgemeinen Grundsätzen festzustellen (BGH, aaO, Rn. 26, der eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266a StGB zutreffend nur dann annehmen will, "wenn er (der Geschäftsführer) Anhaltspunkte für eine unzureichende Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den faktischen Geschäftsführer erlangt und dennoch nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat").
In der Folge können Haftungsrisiken durch ein nachweisbares Überwachungs- und Kontrollsystem auch in strafrechtlicher Hinsicht minimiert werden. Damit ist hierin ein weiterer Grund für Criminal Compliance Maßnahmen zu sehen.
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