Das gestrige Urteil des Landgerichts Berlin ging durch die Medien. Erstmals hat ein Gericht bei Teilnehmern eines Kraftfahrzeugrennens bei dem ein Mensch zu Tode kam, einen Tötungsvorsatz angenommen und die Angeklagten wegen Mordes verurteilt.
Dieses Urteil ist nunmehr Anlass dafür, sich einmal mit dem Tötungsvorsatz im Allgemeinen auseinanderzusetzen.
Vorsatz setzt (auch) im Zusammenhang mit Tötungsdelikten ein Wissens- sowie ein Wollenselement voraus. Das bedeutet, es wird das Erkennen der Möglichkeit des Eintritts des tatbestandlichen Erfolgs (hier: der Tod eines Menschen) und eine spezifische innere Einstellung des Täters gegenüber dem Erfolg (mindestens das billigende Inkaufnehmen dieses Erfolgs) gefordert.
Die Rechtsprechung umschreibt diesen sogenannten bedingten Tötungsvorsatz regelmäßig wie folgt:
"Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daß er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet; bewußte Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Da diese beiden Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen bei der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGHSt 36, 1, 9 f.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 33)." (BGH, Beschluss vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03 –, zitiert nach juris, dort Rn. 5)
So einfach diese Unterscheidung auf dem Papier erscheint, so schwer ist sie in der Praxis vorzunehmen.
Hintergrund hierfür ist, dass ein -mutmaßlicher- Täter, was sein gutes Recht ist, gerade in derartigen Fällen keine Angaben zur Sache machen und schon gar nicht erklären wird, dass er jemanden töten wollte. Demnach muss sich der Tötungsvorsatz aus den Umständen der Tat herleiten lassen. "Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt." (BGH, Urteil vom 16. August 2012 – 3 StR 237/12 –, zitiert nach juris, dort Rn. 7)
Zu Recht wird jedoch auch in diesen Fällen eine Einschränkung vorgenommen: "Gleichwohl bedarf angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung die Frage der Billigung des Todes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind. Insbesondere bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 73, mit zahlreichen Nachweisen)" (BGH, Urteil vom 16. August 2012 – 3 StR 237/12 –, zitiert nach juris, dort Rn. 7).
Hinzukommt, dass auch in dieser Frage der Grundsatz "In dubio pro reo", "Im Zweifel für den Angeklagten" gelten muss. Das bedeutet bestehen Zweifel an einem Tötungsvorsatz, kann auch nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt werden.
Es könnten jetzt außerdem Beispiele aus der Rechtsprechung zitiert werden, in denen ein Tötungsvorsatz eher fernliegen soll. Hierzu gehören die sogenannten "Denkzettel" oder "Bestrafungs"-Fälle oder eine Tatbegehung vor Zeugen, sowie Fälle in denen der Täter im Nachhinein Rettungsaktivitäten unternimmt. Doch all diese, unter Umständen gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände sind im Fall eines Kraftfahrzeugrennens nicht einschlägig.
Die Fragen die sich in derartigen Fällen stellen sind vielmehr ob der Angeklagte es für möglich und nicht fernliegend hält (halten muss), dass er bei einer Fahrt mit extrem überhöhter Geschwindigkeit durch eine Innenstadtlage jemanden tötet. Weiter müsste festgestellt werden, dass es ihm zumindest egal ist.
Eine Entscheidung hierüber fällt nicht leicht und ist, wie es auch das Landgericht Berlin in seiner mündlichen Urteilsbegründung erklärte, vom Einzelfall abhängig. Die Entscheidung, so denn der Bundesgerichtshof sie nicht aufhebt, ist kein Wegweiser oder bedeutet gar, dass in ähnlich gelagerten Fällen nunmehr immer wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt werden wird.
Ohne Aktenkenntnis und nach meiner persönlichen fachlichen Meinung sprechen gemeinhin viele Umstände gegen einen Tötungsvorsatz. Nur beispielsweise sei darauf hingewiesen, dass wer den Tod eines Menschen bei einem Kraftfahrzeugrennen zumindest billigend in Kauf nimmt, auch den Zusammenstoß mit einem Menschen oder gar einem anderen Kraftfahrzeug billigen muss. Selbst wenn es sich "nur" um einen Fußgänger handelt, sind die Folgen eines solchen Zusammenstoßes auch für den Führer des Pkw so erheblich, dass es der Annahme einer Suizidabsicht gleichkommen dürfte, anzunehmen jemand würde dies billigend in Kauf nehmen.
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