Es ist schon befremdlich, wenn das Bundesministerium der Justiz zur Begründung einer erheblichen Verschärfung des Strafrechts u.a. anführt:
"Mit diesen Änderungen bringt der Gesetzgeber gleichzeitig seine Wertschätzung für den Dienst der Polizisten, aber auch der anderen Vollstreckungsbeamten sowie für den Einsatz der Hilfskräfte
der Feuerwehr und der Rettungsdienste zum Ausdruck. Gleichzeitig ist der Gesetzentwurf ein Beitrag zur Umsetzung der Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18.
Legislaturperiode, Polizisten und andere Einsatzkräfte stärker bei gewalttätigen Übergriffen zu schützen." (BT Drs. 18/11547)
Soviel zu den -sachfremden- Erwägungen. Die Androhung einer Mindestfreiheitsstrafe um "Respekt und Wertschätzung" zum Ausdruck zu bringen ist unter jedem denkbaren Gesichtspunkt abzulehnen. Dabei wird -postfaktisch- auf den "als unbefriedigend empfundenen Rechtszustand" (BT-Drs. 18/11547, Seite 3) abgestellt.
Doch worum geht es konkret?
Kern des Entwurfs, der bereits im Bundestag zur Diskussion stand, sind Änderungen an den §§ 113, 114 StGB. Diese regeln den sogenannten "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte".
Der Gesetzgeber beschreibt seinen glorreichen Änderungsentwurf wie folgt:
"Die Tatbegehungsform des tätlichen Angriffs wird aus §113 StGB herausgelöst undin§114StGB-E als selbständiger Straftatbestand mit verschärftem Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren)ausgestaltet. Der neue Straftatbestand verzichtet für den tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte auf den in §113 Absatz1 StGB erforderlichen Bezug zur Vollstreckungshandlung. Damit kommt auch bei der Erfüllung anderer Straftatbestände im Strafausspruch das spezifische Unrecht des Angriffs auf das Opfer bei dessen Dienstausübung zum Ausdruck." (BT-Drs. 18/11547, aaO)
Und genau hier liegt das Problem. Zwar sieht der Entwurf anders als die Entwürfe Hessens und des Saarlandes noch einen -weiten- Bezug zur Diensthandlung vor, verzichtet aber auf einen Bezug zur Vollstreckungshandlung, so dass auch nach der Gesetzesbegründung auch sogenannte allgemeine Diensthandlungen erfasst werden sollen. Hierzu gehört z.B. das Streife laufen oder fahren.
Ein weiteres Problem liegt im tätlichen Angriff. Denn wer nun meint "Angriff" sei mit einer Körperverletzungshandlung gleichzusetzen und erfordere einen Schlag, Tritt oder Ähnliches, der irrt fatal. Bereits ein leichtes Schubsen oder Anrempeln sowie auch das "Herauswinden" reicht für einen solchen tätlichen Angriff aus. Eine Verletzung muss bei dem betroffenen Polizisten nicht eintreten.
Polemisch, aber nicht ganz falsch lässt sich also feststellen, dass der Gesetzgeber nunmehr robuste Bewegungen mit mindestens 3 Monaten Freiheitsstrafe bestrafen will.
Doch ist eine so umfassende Ausweitung und Verschärfung denn wirklich notwendig?
Nein.
Wie bei jedem Angriff, der zu einer Körperverletzung oder einer Gesundheitsschädigung führt, handelt es sich auch wenn es sich bei dem Angegriffenen um einen Polizisten handelt, um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB. Diese kann mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Setzt der Täter z.B. eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand ein oder begeht die Tat z.B. zusammen mit anderen Personen, liegt regelmäßig eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB vor, welche mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Auch dies gilt uneingeschränkt bei Angriffen auf Polizisten. Ebenso sind die Ehrverletzungsdelikte wie Beleidigung oder Verleumdung unproblematisch auf Angriffe auf Polizisten anwendbar.
Hinzu kommt, dass Polizisten durch den bisherigen § 113 StGB bei der Ausübung ihrer Tätigkeit, namentlich bei der Vornahme einer Diensthandlung bereits besonders geschützt sind. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ist es nämlich -wie ausgeführt- nicht, dass es zu Verletzungen bei den Polizisten kommt. Ausreichend ist z.B. ein Herauswinden aus dem Griff des Polizisten (AG Güstrow, Urteil vom 12.01.2016, 921 Ds 102/15) oder ein Stemmen gegen Boden oder Hindernisse um z.B. sein Wegtragen zu verhindern (Fischer, StGB, § 113, Rn. 24). Eine Tat nach der zitierten Norm wird bereits jetzt mit bis zu 3 Jahren Freiheitstrafe bestraft.
Im Übrigen stützt sich der Gesetzgeber zur Begründung auf die angeblich gestiegene Anzahl von Straftaten gegen Polizisten (BT-Drs. 18/11547, Seite 1). Doch stimmt das? Wir wissen es nicht. Die zitierte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) jedenfalls kann zur Begründung nicht herangezogen werden. Zum einen ist es schon methodisch fragwürdig, diejenige Berufsgruppe, die von der Gesetzesänderung "profitiert" mit der Erstellung einer statistischen Grundlage zu betrauen. Zum anderen erfasst die PKS nur Anzeigen, nicht Verurteilungen. Ob also tatsächlich eine Straftat vorlag, ergibt sich schon dem Grunde nach nicht aus der Statistik. So kann insbesondere auch das Anzeigeverhalten ("Jeder Rempler wird angezeigt") enorme Auswirkungen auf die erfassten "Taten" haben. Es muss deshalb als geradezu reißerisch bezeichnet werden, wenn die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang von "Opfern" spricht, da dies schlicht falsch ist.
Abschließend ist festzustellen, dass auch dieses Gesetzesvorhaben einer populistischen Speichelleckerei entspricht, die insbesondere im Strafrecht vermehrt zu beobachten ist. Das Strafrecht wird als Allheilmittel verkannt und nunmehr sogar als Ersatz von Dienstorden missbraucht. Dem Gesetzgeber sei insoweit die Lektüre des Artikel 2 Grundgesetz sowie eine Auseinandersetzung mit dem Begriffen Geeignetheit und Erforderlichkeit nahegelegt.
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