Gehen die wirtschaftlichen Probleme eines Unternehmens über bloße "Engpässe" hinaus und muss ein Insolvenzantrag gestellt werden, ergeben sich neue strafrechtliche Probleme. Hintergrund dieser Probleme und Risiken ist es, dass im Vorfeld einer Insolvenz regelmäßig Wirtschaftsstraftaten begangen werden. Ein Beispiel hierfür ist die Zahlung von sogenannten "Netto-Löhnen". Das bedeutet, der Geschäftsführer zahlt den Angestellten weiter ihre "Netto-Löhne" führt aber z.B. die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung (Hier lesen Sie einen Beitrag zu dieser Problematik) und Steuern nicht ab. Hierin liegt ein Vorenthalten von Arbeitsentgelt und wohl auch eine Steuerhinterziehung. Ebenso sind (strafbare) Verletzungen von Buchführungspflichten, eine Bankrotthandlung oder eine Insolvenzverschleppung denkbar.
Im Falle einer Insolvenz wird vom (Insolvenz-)gericht ein -zunächst vorläufiger- Insolvenzverwalter bestellt. Dieser soll sich ein Bild von der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens machen. Hierzu muss der Schuldner (also der Unternehmer bzw. der Geschäftsführer für das Unternehmen) u.a. dem Insolvenzverwalter Auskunft über alle "das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft geben" (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Entgegen der eigentlichen Beschuldigtenrechte regelt § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO, dass auch über Tatsachen Auskunft gegeben werden muss, die geeignet sind eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Dies ist also eine komplette Ausnahme vom Grundsatz sich nicht selbst belasten zu müssen. Da dieser Zustand so mit den Rechten von Beschuldigten keinesfalls vereinbar war, entschied das Bundesverfassungsgericht bereits 1981, dass Aussagen des Schuldners im Rahmen seiner Auskunft im Insolvenzverfahren nicht gegen seinen Willen gegen ihn verwendet werden dürfen (BVerfG, Beschluss v. 13.01.1981, 1 BvR 116/77). Dieses so entwickelte "Insolvenzgeheimnis" ist nunmehr auch in § 97 Abs. 1 Satz3 InsO geregelt. Demnach können vom Schuldner gemachte Angaben aus dem Insolvenzverfahren nur mit dessen Zustimmung in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren verwendet werden.
Dies klingt auf den ersten Blick gut und sinnvoll, doch sollten die engen Grenzen dieses Verwertungsverbotes, besser: Verwertungsvorbehalts beachtet werden. Wie bereits Weyand (in: ZInsO 2015, Heft 39, 1948 - 1952) zutreffend ausführt, greift der Verwertungsverbehalt nur bei Auskünften die auf eine ausdrückliche gerichtliche Anordnung hin gemacht werden. Freiwillige Angaben bleiben vom Verwertungsvorbehalt unberührt. Des Weiteren unterliegen Erkenntnisse, die die Ermittlungsbehörde auf anderen Wegen (z.B. Durchsuchungen, Angaben des Insolvenzverwalters etc.) ebenso nicht der Regelung des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO.
Weyand ist insoweit zuzustimmen, als dass es kaum eine andere Möglichkeit gibt, als dem Beschuldigten bzw. zunächst: dem Schuldner von jeder freiwilligen Mitwirkung abzuraten. Eine konkrete Strategie kann jedoch nur am Einzelfall erarbeitet werden.
Kommentar schreiben