Wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 25. November 2015 (1 StR 79/15) festgestellt hat, ist auch die Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer tauglicher Gegenstand der Verständigung im Sinne des § 257c StGB.
In dem, der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war u.a. auf das Drängen der Verteidigung ein Verständigungsvorschlag durch das Gericht unterbreitet worden, der auch eine Absprache zur Höhe der Kompensation wegen der ansonsten ordnungsgemäß festgestellten überlangen Verfahrensdauer enthalten war. Diese Einbeziehung rügte nunmehr der Angeklagte mit seiner -erfolglosen- Revision.
Hintergrund der Entscheidung ist Frage, ob es sich bei der Kompensationsentscheidung um eine Rechtsfolge im Sinne des § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO handelt. Der erste Strafsenat nimmt dies in der
zitierten Entscheidung an, da "nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Verständigungsgegenstand u.a. grundsätzlich die Maßnahmen sein" können, "über die das erkennende
Gericht verfügen kann, somit Maßnahmen, die es (sic!) im Erkenntnis treffen kann (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, Anlage zu Nr. 8). Grundsätze der richterlichen
Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung sollten hingegen nicht angetastet werden (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 67)."
"...Danach erweist sich die Verständigung über Art und Ausmaß einer Kompensation für eine
überlange Verfahrensdauer als zulässiger Verständigungsgegenstand (Moldenhauer/Wenske in KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 15; Temming in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 5. Aufl., § 257c Rn. 23;
Wenske, DRiZ 2011, 393, 395; vgl. hierzu auch Eschelbach in BeckOK-StPO, 23. Ed., § 257c Rn. 11.3, der zwar Bedenken anmeldet, diese aber an der als problematisch erachteten Vollstreckungslösung
festmacht, die jedoch st. Rspr. entspricht; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 257c Rn. 10 freilich ohne Begründung)."
Voraussetzung sei aber, dass das Tatgericht die Voraussetzungen einer derartigen Kompensation nicht willkürlich annehmen und die Feststellung der kompensationsbedürftigen überlangen Verfahrensdauer ordnungsgemäß festgestellt werde.
Es mag sich nun die Frage stellen, was unter einer überlangen Verfahrensdauer zu verstehen ist und wie diese kompensiert wird. Beides lässt sich an einer Entscheidung des großen Senats für Strafsachen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 –GSSt 1/07–, zitiert nach juris) darstellen.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat jede Person das Recht, dass über eine gegen Sie erhobene strafrechtliche Anklage in angemessener Zeit verhandelt wird. Für Haftsachen verschärft Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EMRK diesen Grundsatz noch, indem er bestimmt, dass wenn es in Haftsachen nicht in angemessener Zeit zu einem Urteil kommt, der Betroffene einen Anspruch auf Entlassung aus der (Untersuchungs-) Haft hat. Konkrete Konsequenzen für einen Verstoß gegen diesen Beschleunigungsgrundsatz sieht die EMRK indes nicht vor.
In der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes war zur Kompensation eine Berücksichtigung bei der Strafzumessung vorgesehen (BGH in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Band 24, Seite 239ff.). Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah dies indes nicht als ausreichende Kompensation an (EGMR, Urteil vom 15. Juli 1982 in: EuGRZ 1983, Seite 371 ff. m. Anm. Kühne). Nachdem der Bundesgerichtshof und auch das Bundesverfassungsgericht (eine Darstellung unterbleibt aus Umfangsgründen) daraufhin mehrfach Modifikationen an der dargestellten Kompensationspraxis vorgenommen haben, ist der Große Senat in der bereits zitierten Entscheidung zu dem -auch heute noch aktuellen- Vollstreckungsmodell gelangt. Danach werden entsprechende Verfahrensverzögerungen nicht mehr strafmildernd berücksichtigt, sondern zur Kompensation ein Teil der ausgeurteilten Strafe als vollstreckt angesehen.
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