Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erlaubt es u.a. Mitbewerbern (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) von einem Unternehmer, welcher einen Wettbewerbsverstoß begangen hat, die Abgabe einer sogenannten strafbewährten Unterlassungserklärung zu verlangen (§ 8 Abs. 1 UWG). Mit der Abgabe einer solchen Erklärung verpflichtet sich der Abgebende in Zukunft das in der Erklärung beschriebene Verhalten (Wettbewerbsverstoß) zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird eine Vertragsstrafe in -zumeist- sehr empfindlicher Höhe angedroht.
Gibt der Betroffene eine solche Erklärung ab, ist damit die Wiederholungsgefahr ausgeräumt. Kommt es also nicht zu einer Wiederholung der in der Abmahnung beschriebenen Verhaltensweisen, ist die Angelegenheit damit erledigt.
Besondere Bedeutung im Abmahnverfahren haben die damit regelmäßig einhergehenden Schadensersatzforderungen, die zumeist in den angefallenen Kosten der außergerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts bestehen. Rechtlich fußt dieser Schadensersatzanspruch auf § 9 UWG.
Oberstes Ziel einer solchen Abmahnung soll jedoch weiterhin die Beseitigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens des Mitbewerbers sein. Demnach kann, "insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen" (Wortlaut § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG), die Geltendmachung eines solchen Unterlassungsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein.
Zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen
In der Praxis ist die Frage, wann die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist, häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.
Dennoch lassen sich aus der -zivilgerichtlichen- Rechtsprechung einige Kriterien herausarbeiten.
Das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 08. Dezember 2016 – 13 U 72/16 –, zitiert nach juris, dort Rn. 13) führte zu den allgemeinen Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs wie folgt aus:
"Ein Missbrauch i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 76/98, juris Rn. 19; Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 237/98, juris Rn. 21; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rn. 4.10 m. w. N.). Sie müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 - I ZR 300/02, juris Rn. 16)." (Hervorhebungen durch den Autor)
Gleichzeitig mahnt das Gericht eine sorgfältige Prüfung aller Umstände des Einzelfalls an. So könne im Regelfall nur aus den äußeren Umständen auf sachfremde Motive des Anspruchsberechtigten geschlossen werden (OLG Celle, aaO). Abzustellen sei dabei "vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße, auf die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß und das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter" (OLG Celle, aaO).
Im Folgenden Beispiele aus der Rechtsprechung:
Eine hohe Anzahl von Abmahnungen durch den Anspruchsberechtigten lässt für sich genommen nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen (OLG München, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 6 W 2908/06 –, zitiert nach juris; OLG Celle, aaO).
Der Vorschlag einer Vertragsstrafe, die unabhängig von einem Verschulden verwirkt sein soll, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs missbräuchlich ist (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 174/10 –, zitiert nach juris, dort Rn. 17).
Das Angebot eines Dienstleisters, den Inhaber einer E-Mail-Adresse von den Kosten für die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen wegen unerbetener E-Mail-Werbung freizustellen, indem er den Anwalt beauftragt und dessen Tätigkeit finanziert, ist rechtsmissbräuchlich, denn es dient vorwiegend dazu, dem Anwalt gegen den E-Mail-Versender einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (LG Berlin, Urteil vom 20. September 2016 – 15 O 6/16 –, zitiert nach juris, dort Rn. 26).
Ist das vorrangige Motiv einer Abmahnung die Störung eines Messeauftritts eines Konkurrenten, "nur um anschließend ungestört auf der Messe u.a. Innovationen als eigene zu bewerben, die ursprünglich von der Antragsgegnerin entwickelt worden sind", ist dies ebenfalls rechtsmissbräuchlich (LG Köln, Urteil vom 28. Juni 2016 – 33 O 22/16 –, zitiert nach juris, dort Rn. 30).
Die strafrechtliche Dimension rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen
Wie der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (1 StR 483/16 - Beschluss vom 8. Februar 2017 (LG Amberg), zitiert nach HRRS 2017 Nr. 689, hier abrufbar) klarstellt, liegt in einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Kosten einer Abmahnung eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB.
In der -konkludenten- Erklärung der berechtigten Abrechnung der Abmahnkosten liege insbesondere nicht nur ein Werturteil, sondern eine Täuschung über Tatsachen, da nicht über eine Rechtsfrage, sondern über die eigentliche Zielrichtung der Abmahnung (Beseitigung eines Wettbewerbsverstoßes vs. sachfremde Motive wie z.B. vorrangiges Ziel einen Ersatzanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten entstehen zu lassen) getäuscht wird (BGH, aaO, Rn. 13). Das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 14. Mai 2013 – III-1 RVs 67/13 –, zitiert nach juris, dort Rn. 21f.) hatte diese rechtliche Argumentation zwar gesehen, in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall aber abgelehnt, da nach der dort vertretenen Ansicht notwendig sei, dass der Abmahnende zumindest schlüssig miterklärt, dass keine sachfremden Motive (mit-)verfolgt würden.
Insoweit dürfte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine -abzulehnende- Herabsetzung der Anforderungen an eine Täuschung durch konkludentes Verhalten darstellen. Der Bundesgerichtshof ignoriert den Umstand, dass eine Täuschung über Tatsachen in dem Einfordern einer Leistung auf die kein Anspruch besteht nur dann vorliegt, "wenn entweder ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt wird oder wenn die rechtliche Wirksamkeit des Anspruchs wahrheitswidrig als - etwa durch Gerichtsentscheidungen - gesichert dargestellt wird" (Cramer/Perron a. a. O. Rdnr. 16 c m. w. Nachw.) (OLG Köln, Beschluss vom 14. Mai 2013 – III-1 RVs 67/13 –, zitiert nach juris, dort Rn. 25).
Nach dieser Definition dürfte eine Täuschung bei den hier besprochenen Abmahnungen in den meisten Fällen abzulehnen sein. Dies insbesondere deshalb, weil die Abmahnschreiben sich regelmäßig in der Darstellung von Sachverhalt zur Begründung eines Wettbewerbsverstoßes erschöpfen. Ist dieser zutreffend, scheidet eine Täuschung auf dieser Ebene aus, selbst wenn die Abmahnung und die Geltendmachung der damit zusammenhängenden Kosten rechtsmissbräuchlich ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Abmahnende entweder wahrheitswidrig sachfremde Motive verneint oder deren Bedeutung wahrheitswidrig herunterspielt.
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