Zur Verfolgungsverjährung bei dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) - Beendigung erst nach Verjährung des Zahlungsanspruchs?

Wie bereits an anderer Stelle auf dieser Seite dargestellt, können auch Straftaten verjähren.

 

Insbesondere im Zusammenhang mit Wirtschaftsstraftaten kann dies eine nicht unerhebliche Rolle spielen, da zum einen bis zur Entdeckung der Taten und zum anderen bis zur rechtskräftigen Verurteilung mehrere Jahre vergehen können.

 

Andererseits kann hinsichtlich einer Tat die auf den ersten Blick verjährt erscheint, die Verjährung noch nicht einmal zu laufen begonnen haben. Neben dem Bankrott (§ 283 StGB), zu dessen Verfolgungsverjährung bereits an anderer Stelle Ausführungen gemacht wurden, ist das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) ein geeignetes Beispiel.

Allgemeines zur Verfolgungsverjährung beim Vorenthalten von Arbeitsentgelt

Da das Vorenthalten von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB mit höchstens 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB 5 Jahre.

 

Diese Frist beginnt gemäß § 78a StGB erst zu laufen wenn die Tat beendet ist. Die Regelung lautet:

 

"Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt."

 

Es stellt sich somit die Frage, wann eine Tat nach § 266a StGB beendet ist.

Vollendung und Beendigung bei § 266a StGB

Anders als die Beendigung ist die Vollendung für den Verjährungsbeginn irrelevant. Dennoch soll in aller Kürze auf die Voraussetzungen der Vollendung eingegangen werden.

 

Vollendet ist eine Straftat, wenn alle Merkmale des Tatbestands erfüllt sind. Für das Vorenthalten von Arbeitsentgelt im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB, also das Nichtzahlen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung bedeutet dies, dass von einer Vollendung auszugehen ist, wenn der Arbeitgeber zum Fälligkeitszeitpunkt die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht oder nicht vollständig zahlt.

 

Die Fälligkeit der Zahlung bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 SGB IV.

 

Beendet ist eine Straftat nach § 266 StGB, da der Bundesgerichtshof diese als echtes Unterlassungsdelikt ansieht, wenn die Beitragspflicht erloschen oder verjährt ist (siehe nur: Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 20. Mai 2005 – 1 Ss 252/04 –, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 27. September 1991 – 2 StR 315/91 –, zitiert nach juris).

 

Erlöschen kann die Beitragspflicht entweder durch die Zahlung der entsprechenden Beiträge oder durch den Wegfall des Beitragsschuldners, also beispielsweise wenn die juristische Person aufgelöst wird (BGH, aaO). Ebenso wird die Tat durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beendet (OLG Dresden, Urteil vom 18. Januar 2010 – 3 Ss 603/09 –, zitiert nach juris). Auch das Ausscheiden des verantwortlichen Vertretungsorgans nach § 14 StGB (z.B. Geschäftsführer) aus seiner Position führt zu einer Beendigung der Tat (Fischer, StGB, 64. Auflage, § 266a, Rn. 18a und Gercke, Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, 2. Auflage, S. 92 jeweils unter Hinweis auf BGH wistra 2014, S. 182).

 

In jedem Fall tritt die Verjährung spätestens mit der Verjährung des Beitragsanspruchs ein. Diese beträgt bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV jedoch 30 Jahre.

 

Das bedeutet, tritt keiner der oben geschilderten Fälle ein, beginnt die Frist zur Verfolgungsverjährung 30 Jahre nach der Fälligkeit des Beitragsanspruchs.

 

Dies erscheint schon unter dem Gesichtspunkt der Funktion der Verfolgungsverjährung, namentlich der Schaffung von Rechtsfrieden, unsachgemäß. Im Übrigen ist der Autor -glücklicherweise nicht ganz allein- der Auffassung, dass sich eine über den Fälligkeitszeitpunkt hinausgehende (Nach-)zahlungsverpflichtung nicht aus der Straform selbst ergibt (so auch: Gercke, aaO). Demnach ist für die hier relevante Beendigung der Straftat ausschlaggebend, dass mit Nichtzahlung der Beiträge zum Fälligkeitszeitpunkt der strafrechtliche Schaden, wie Gercke es ausdrückt, "irreversibel" eingetreten ist.

 

Nichtsdestotrotz wird man bei der Beratung und Verteidigung berücksichtigen müssen, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte in dieser Frage stumpf dem Bundesgerichtshof folgen werden, der wie gezeigt eine gegenteilige Meinung vertritt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0