In Steuerstrafverfahren tritt in vielen Fällen -zumindest zunächst- die Bußgeld- und Strafsachenstelle eines Finanzamts in Erscheinung.
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich dem Grunde nach aus § 387 AO. Danach sind die Finanzbehörden für die Verfolgung von Taten im Sinne des § 386 Abs. 2 AO zuständig, die die betroffene Steuer verwalten. Dies sind das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse.
Allerdings wurde von der Möglichkeit in § 387 Abs. 2 AO, die Zuständigkeit im Wege der Rechtsverordnung abweichend zu regeln, umfangreich Gebrauch gemacht, so dass eigentlich in allen Bundesländern zentrale Bußgeld- und Strafsachenstellen eingerichtet wurden. In Mecklenburg-Vorpommern ermächtigte der Landesgesetzgeber in § 1 Nr. 2 der Finanzverwaltungermächtigungslandesverordnung (FinVErmächtLVO M-V) das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern die Zuständigkeit selbst zu regeln. Dies geschah durch die Finanzamtszuständigkeitsverordnung (FAZustVO M-V). Nach § 6 dieser Verordnung ist in Mecklenburg-Vorpommern das Finanzamt Schwerin zentral zuständig. Ähnliche Regelungen existieren auch in anderen Bundesländern.
Aufgaben und Befugnisse des Finanzamts in Steuerstrafverfahren
Das Finanzamt (gemeint ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra), nicht die Steuerfahndung im Sinne der §§ 208, 404 AO) führt das strafrechtliche Ermittlungsverfahren selbstständig, wenn "die Tat
1. ausschließlich eine Steuerstraftat (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO; Nr. 18) oder eine dieser gleichgestellte Tat (vgl. Nr. 19) darstellt,
2. zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO), z. B. Beiträge an Industrie- und Handelskammern, deren Höhe sich nach dem Gewerbesteuermessbetrag richtet."
(Teil 3, Abschnitt 2, Ziffer 17 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) (AStBV (St) 2017) vom 1. Dezember 2016 (BStBl. I S. 1338), hier zitiert nach beck-online)
Steuerstraftaten sind Taten, die nach den Steuergesetzen (AO und Einzelsteuergesetze, z. B. § 26 c UStG, § 23 RennwLottG) strafbar sind, also insbesondere Steuerhinterziehung nach § 370 AO und versuchte Steuerhinterziehung. Auch die Begünstigung (§ 257 StGB) einer Person, die eine der vorstehend genannten Taten begangen hat fällt nach den AStBV (St) unter den Begriff der Steuerstraftat. Gleiches gilt für Teilnahmehandlungen (Anstiftung, Beihilfe).
Gleichgestellte Taten sind die ungerechtfertigte Erlangung von Altersvorsorgezulagen, von Wohnungsbauprämien und von Arbeitnehmersparzulagen durch Taten i. S. d. § 370 AO (§ 96 Abs. 7 EStG, § 8 Abs. 2 WoPG, § 14 Abs. 3 5. VermBG) sowie der Versuch dazu, der Betrug (§ 263 StGB) in Bezug auf Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (§ 15 Abs. 2 EigZulG) und auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (§ 15 InvZulG 2010), der Subventionsbetrug (§ 264 StGB) in Bezug auf Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz (§ 15 InvZulG 2010) sowie die Begünstigung einer Personen, die diese Taten begangen hat und Anstiftung und Beihilfe zu derartigen Taten.
Führt das Finanzamt (BuStra) die Ermittlungen selbstständig, so nimmt sie wegen § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen. Das bedeutet z.B. auch, dass Zeugen in diesen Fällen gemäß § 399 AO, § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO verpflichtet sind, auf Ladung der BuStra zu erscheinen (Klein/Jäger, AO, 13. Aufl. 2016, § 399, Rn. 13). Auf Ladung der Steuerfahndung, die im Steuerstrafverfahren nur polizeiliche Aufgaben wahrnimmt (§ 404 Satz 1 AO), muss der Zeuge nach der Reform der Strafprozessordnung nur erscheinen, wenn dem ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrundliegt (§ 163 Abs. 3 StPO). Die allgemeinen Zeugnisverweigerungsrechte und das Schweigerecht, welches dem Beschuldigten zusteht, bestehen selbstverständlich auch bei der BuStra und der Steuerfahndung.
Die BuStra kann weiter unter den oben genannten Voraussetzungen auch richterliche Untersuchungshandlungen wie z.B. den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen bei dem zuständigen Ermittlungsrichter beantragen. Die Steuerfahndung kann dies nicht. Ein von ihr beantragter Durchsuchungsbeschluss ist rechtswidrig, aber nicht nichtig oder unwirksam (LG Freiburg, Beschluss vom 04.09.2000 - VIII Qs 9/00, hier zitiert nach LSK 2001, 350118, beck-online).
Weiter kann die BuStra selbstständig den Erlass eines Strafbefehls bei dem zuständigen Amtsgericht beantragen (§ 400 AO) oder nach § 401 AO die selbstständige Einziehung oder die Festsetzung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen nach § 30 OWiG beantragen. Eignet sich die Angelegenheit nicht zum Abschluss im Wege des Strafbefehlsverfahrens, legt die BuStra die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft vor (dazu im Folgenden).
Weitere Befugnisse bei der Verfahrensführung durch das Finanzamt
Wie dargestellt, kommt es für die Befugnisse des Finanzamts darauf an, ob das Finanzamt über die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren selbstständig führt oder ob die Steuerfahndung -verfahrensrechtlich unselbstständig (§ 402 Abs. 1 AO)- tätig wird.
Des Weiteren bestehen weitere Besonderheiten, wenn die BuStra das Ermittlungsverfahren selbstständig führt.
Nach § 386 Abs. 4 AO kann die BuStra das Verfahren jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben und die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit an sich ziehen. Dies soll nach den bereits oben zitierten AStBV (St), dort Ziffer 22 insbesondere dann geschehen, "wenn
1. eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung beantragt werden soll (vgl. auch Nr. 74);
2. die Anordnung der Untersuchungshaft (§§ 112, 113 Stopp) geboten erscheint;
3. die Strafsache besondere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten aufweist;
4. der Beschuldigte außer einer Tat i. S. d. Nrn. 18 und 19 noch eine andere – prozessual selbständige – Straftat begangen hat und die Taten in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen (vgl. auch Nr. 140 Abs. 3);
5. Freiheitsstrafe zu erwarten ist, die nicht im Strafbefehlsverfahren geahndet werden kann;
6. gegen die in Nrn. 151 bis 154 genannten Personen ermittelt wird;
7. ein Amtsträger der Finanzverwaltung der Beteiligung verdächtig ist."
Wird das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft geführt, entfällt auch die in § 392 AO geregelte Möglichkeit sich allein von einem Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer verteidigen zu lassen. Es ist dann ein Verteidiger mit der Befähigung zum Richteramt -ggf. zusätzlich- zu wählen.
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