Geldverkehrsrechnung im Steuerstrafverfahren

In Steuerstrafverfahren spielt die Frage in welcher Höhe Steuern hinterzogen worden sein sollen eine entscheidende Rolle.

 

Da jedoch in vielen Fällen Belege für getätigte Umsätze beziehungsweise Geschäftsvorfälle fehlen, unvollständig sind oder die Finanzverwaltung bzw. die Staatsanwaltschaft deren Wahrheitsgehalt anzweifelt, stellt sich die Frage wie die, der Besteuerung zugrunde zu legenden Umsätze anderweitig ermittelt werden können.

 

Im Besteuerungsverfahren (z.B. auch im Rahmen einer Betriebsprüfung) ist es der Finanzverwaltung deshalb nach § 162 AO möglich die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

 

Konkret lautet § 162 Abs. 1 bis 3 AO:

 

"(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

 

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 2 Satz 3 verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass steuerpflichtige Einkünfte in Staaten oder Gebieten im Sinne des § 90 Absatz 2 Satz 3 vorhanden oder höher als die erklärten Einkünfte sind.

 

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 8 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden."

 

Die Darstellung des § 162 Abs. 4 AO der die Zuschläge bei fehlenden oder unverwertbaren Aufzeichnungen sowie bei der verspäteten Vorlage von Aufzeichnungen unterbleibt aus Gründen der Übersichtlichkeit.

 

Für die Durchführung der Schätzung gibt es mehrere Methoden, die je nach Fall und pflichtgemäßem Ermessen von der Finanzverwaltung angewendet werden können (ständige Rechtsprechung, nur bspw.: FG Hamburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 6 V 119/17 –, zitiert nach juris, dort Rn. 33).

 

Neben dem inneren und äußeren Betriebsvergleich, Zeitreihenvergleich oder Nachkalkulation existieren die Kassenfehlbetrags-, Vermögenszuwachs- und die Geldverkehrsrechnung. Des Weiteren sind auch Mischformen möglich und zulässig.

 

Das Instrument der Geldverkehrsrechnung und seine Anwendbarkeit im Steuerstrafverfahren sollen im Folgenden überblicksweise dargstellt werden.

Die Geldverkehrsrechnung im Besteuerungsverfahren

Die Geldverkehrsrechnung zählt, wie auch die Kassenfehlbetragsrechnung und die Vermögenszuwachsrechnung zu den Schätzungsmethoden, die auf dem Grundgedanken einer Einnahme-Ausgaben-Deckungsrechnung beruhen (Klein/Rüsken, AO, 13. Auflage, § 162, Rn. 43-45).

 

Diese Methoden beruhen auf dem Grundgedanken, dass niemand -in einem bestimmten Zeitraum- mehr ausgeben kann als er eingenommen hat und werden in der Praxis häufig vermischt was zulässig ist (BFH, Urteil vom 08. November 1989 – X R 178/87 –, BFHE 159, 20, BStBl II 1990, 268).

 

Notwendig ist zunächst, dass ein Zeitraum mit einem Anfangs- und ein Endbestand festgestellt wurden. Nun werden die tatsächlichen und vermeintlichen Zu- und Abflüsse in diesem Zeitraum ermittelt und berechnet, ob die bisherigen steuerlichen Angaben rechnerisch möglich sind. 

 

Zu unterscheiden ist die Gesamtgeldverkehrsrechnung von der Teilgeldverkehrsrechnung. Die Teilgeldverkehrsrechnung betrifft entweder nur den außerbetrieblichen oder den betrieblichen Bereich während die Gesamtgeldverkehrsrechnung beide Bereiche betrifft wobei auch hier Mischformen möglich sind.

 

Die einfachste Form der Geldverkehrsrechnung ist die Ausgaben-Deckungsrechnung, die vom Bundesfinanzhof ebenfalls als Schätzungsmethode anerkannt ist (BFH, Urteil vom 25. Juli 1991 – XI R 27/89 –, zitiert nach juris). Da sich diese eignet um das System der Geldverkehrsrechnung darzustellen, soll im Folgenden ein Beispiel damit gebildet werden.

 

Die Ausgaben-Deckungsrechnung prüft, ob die Ausgaben des Steuerpflichtigen aus den Entnahmen zu erfüllen waren, insbesondere ob z.B. die Barausgaben des Steuerpflichten aus den Barabhebungen geleistet werden konnte.

 

Entnahm der Steuerpflichtige z.B. in einem Jahr insgesamt -offiziell- nur etwa 12.000,00 €, hatte aber neben seinen allgemeinen Lebenshaltungskosten, die mit mindestens dem Regelsatz für Sozialhilfe (bzw. heute Arbeitslosengeld zzgl. Zulagen) zu beziffern sein werden (450,00 €, mithin 5.400,00 €) z.B. 6.000,00 € Darlehensverbindlichkeiten (z.B. für die Finanzierung des privaten Eigenheims) und weitere Ausgaben in Höhe von 2.500,00 € (z.B. Versicherungen, Unterhalt etc.), ergibt sich ein nicht erklärbarer Fehlbetrag in Höhe von 1.900,00 €. In der Folge ist von nicht erklärten Entnahmen bzw. weiteren Einkünften in mindestens dieser Höhe auszugehen.

 

Eine Geldverkehrsrechnung im Betrieb bzw. auch eine Gesamtgeldverkehrsrechnung läuft nach demselben Prinzip ab.

 

Als Informationsquellen dienen der Finanzverwaltung neben den geschäftlichen Unterlagen zumeist Kontoinformationen wobei Konten Angehörigen betroffen sein können.

Die Geldverkehrsrechnung im Strafverfahren

Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, existiert im (Steuer-)Strafrecht keine, dem § 162 AO vergleichbare Norm. Für Schätzungen in Strafverfahren wird demnach auf die Regelung des § 261 StPO zurückgegriffen (siehe nur: MüKoStPO/Miebach, 1. Aufl. 2016, StPO § 261 Rn. 73-74 mit weiteren Nachweisen), die bereits wegen § 385 Abs. 1 AO im Steuerstrafverfahren ausdrücklich Anwendung findet. 

 

Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch im Steuerstrafverfahren dem Grunde nach die Schätzungsmethoden des Finanzamts angewendet werden (so z.B.: BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09 –, zitiert nach juris, dort Rn. 40ff.; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 1 StR 505/16 –, zitiert nach juris).

 

Dies gilt auch für die Geldverkehrsrechnung (LG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 15. November 2000 – VIII Qs 13/00 –, zitiert nach juris).

 

Allerdings muss die Schätzung im Strafverfahren auch den strafprozessualen Grundsätzen, insbesondere dem Zweifelsgrundsatz "in dubio pro reo" genügen. Dementsprechend darf sich die Schätzung nicht wie im Besteuerungsverfahren und den Grundsätzen des § 162 AO (siehe oben) an der oberen Grenze des Möglichen orientieren, sondern muss anhand der Umstände des Einzelfalls ein Höchstmaß an Plausibilität und Begründetheit bieten (so z.B. LG Freiburg, aaO). Es reicht nicht aus, dass der gefundene Schätzwert -wie im Besteuerungsverfahren- der Wahrscheinlichkeit nahe kommen muss, vielmehr muss er nach der vollen richterlichen Überzeugung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den tatsächlich zutreffenden Wert abbilden bzw. darf diesen nicht überschreiten (MüKoStPO/Miebach, 1. Aufl. 2016, StPO, § 261 Rn. 74 mit weiteren Nachweisen).

Fazit und Verteidigungsansätze

Aus den vorstehenden Ausführungen ergeben sich einige Verteidigungsansätze, die sowohl im Besteuerungs- als auch im Strafverfahren relevant sind.

 

So ist immer wieder zu beobachten, dass die angeblichen Lebenshaltungskosten deutlich zu hoch angesetzt werden. Hier lässt sich argumentieren. Des Weiteren können auch Gewinne, Schenkungen, Darlehensrückzahlungen, private Veräußerungen, etc. Erklärung für angeblich nicht erklärte Einnahmen sein. Gerade strafrechtlich können aus einer entsprechenden Argumentation Vorteile gezogen werden, da dort der Zweifelsgrundsatz gilt, so dass wenn die Begründung nicht fernliegend und nicht widerlegbar ist, diese zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen ist.

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