Bevor der Zeugenbeistand mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz (mit Wirkung zum 1.10.2009 (BGBl. I S. 2280)) eine gesetzliche Regelung in Form des § 68b StPO gefunden hat, war die Möglichkeit eines Zeugen sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen in der Rechtsprechung anerkannt.
Schon das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 08. Oktober 1974 – 2 BvR 747/73 –, BVerfGE38, 105-120, hier zitiert nach juris) stellte fest, dass der Ausschluss eines Rechtsbeistands bei der
Zeugenvernehmung im Allgemeinen gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Recht auf ein faires Verfahren verstößt. Auszugsweise führt das Bundesverfassungsgericht wie folgt aus: "Die einem
fairen Verfahren immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbständigkeit des in ein justizförmiges Verfahren hineingezogenen Bürgers bei der Wahrnehmung ihm eingeräumter prozessualer Rechte
und Möglichkeiten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung
hinzuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen." (BVerfG, aaO, Rn.
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Die aktuelle Regelung
Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber erst lange nach dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts eine gesetzliche Regelung für den anwaltlichen Zeugenbeistand geschaffen.
Aktuell lautet die Regelung des § 68b Abs. 1 StPO wie folgt:
"(1) Zeugen können sich eines anwaltlichen Beistands bedienen. Einem zur Vernehmung des Zeugen erschienenen anwaltlichen Beistand ist die Anwesenheit gestattet. Er kann von der Vernehmung ausgeschlossen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass seine Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich beeinträchtigen würde. Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
- der Beistand an der zu untersuchenden Tat oder an einer mit ihr im Zusammenhang stehenden Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist,
- das Aussageverhalten des Zeugen dadurch beeinflusst wird, dass der Beistand nicht nur den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint, oder
- der Beistand die bei der Vernehmung erlangten Erkenntnisse für Verdunkelungshandlungen im Sinne des § 112 Absatz 2 Nummer 3 nutzt oder in einer den Untersuchungszweck gefährdenden Weise weitergibt."
Unter den Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO kann auch eine Beiordnung eines Zeugenbeistands erfolgen.
Rechte des Zeugenbeistands
Anders als der Nebenkläger und damit auch sein Vertreter (lesen Sie hierzu hier mehr) hat der Zeugenbeistand vergleichsweise wenig prozessuale Rechte, was auch daran liegt, dass auch der Zeuge keine weitergehenden Antrags- und Einsichtsrechte hat.
Bereits aus dem Wortlaut des § 68b Abs. 1 StPO ergibt sich das Anwesenheitsrecht des Zeugenbeistands bei der Vernehmung. Dabei ist es unerheblich, ob die Vernehmung öffentlich oder nicht öffentlich erfolgt. Entgegen der teilweise vertretenen Ansicht (siehe nur: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 68b, Rn. 5), die das Anwesenheitsrecht auf den Zeitraum der Vernehmung beschränken, will ist dem Zeugenbeistand auch nach der Vernehmung des Zeugen die Anwesenheit gestattet (so auch: LG Heilbronn 3.2.2003 – 3 Ks 17 Js 23416/01, NStZ 2004, 100; Klengel/Müller, NJW 2011, 2; MüKoStPO/Maier, § 68b Rn. 15-19, beck-online).
Weiter ist der Zeugenbeistand berechtigt den Zeugen während und auch vor der Vernehmung zu beraten. Dies ist seine eigentliche Aufgabe. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass der Zeuge ggf. verpflichtet sein kann auch Fragen zu der vorangegangenen Beratung zu beantworten, wenn ihm keine Zeugnisverweigerungsrechte zustehen. Der anwaltliche Zeugenbeistand ist hingegen zur Verschwiegenheit verpflichtet und ihm steht bei Fragen zur Beratung des Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.
Die Beratung kann sich um Übrigen nicht nur auf die Aussage selbst, sondern auch auf die wörtliche Protokollierung von Teilen der Aussage und deren Genehmigung (§ 273 Abs. 3 StPO) erstrecken.
Da dem Zeugen das Recht zuerkannt wird, ungeeignete oder Neben der Sache liegende Fragen zu beanstanden und diesbezüglich auch einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO zu erwirken, kann auch der Zeugenbeistand diese Rechte ausüben. Dem Zeugen steht gegen einen ablehnenden Gerichtsbeschluss sogar das Beschwerderecht zu, da in dieser Konstellation § 305 Satz 2 StPO einschlägig ist.
Umstritten ist die Frage, ob und in welchem Umfang dem Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht zusteht (zum Streitstand: MüKoStPO/Maier, § 68b, Rn. 30-36). In Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung richtet sich das Akteneinsichtsrecht nach § 475 StPO, da der Zeuge, der nicht auch Verletzte im Sinne des Strafprozessordnung ist, nicht aus §§ 147 oder 406e StPO ein Akteneinsichtsrecht herleiten kann (Maier, aaO, Rn. 31).
Dann ist bei dem Akteneinsichtsgesuch ein berechtigtes Interesse darzulegen. Unabhängig von der Frage worin dieses Interesse bestehen sollte, dürfte in vielen Fällen die Regelung des § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegenstehen, da der Einsicht in die Ermittlungsakte Zwecke des Strafverfahrens, namentlich der Umstand, dass ein Zeuge unbefangen und ohne Kenntnis der Einlassung des Angeklagten bzw. der Aussagen weiterer Zeugen aussagen soll, so dass im Ergebnis ein Akteneinsichtsrecht in der Regel nicht gegeben sein wird.
Fazit
Das Fazit kann recht kurz gehalten werden. Der Zeugenbeistand ist insbesondere in zwei Konstellationen bzw. Situationen sinnvoll.
Zum Einen sollte anwaltlicher Beistand in Erwägung gezogen werden, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Zeuge selbst einer Straftat oder einer strafbaren Teilnahme an einer Solchen bezichtigen müsste oder dies zumindest nicht ausgeschlossen ist. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn eine Beteiligung an einer Schlägerei im Raum steht, sich das Verfahren aber gegen den -mutmaßlichen- Schläger richtet.
Auch im Wirtschaftsstrafrecht kommen derartige Konstellationen häufiger vor. So kann es bei Korruptionssystemen oder in Untreue-Fällen schnell zu Beschuldigungen durch den Anklagten oder Dritte kommen, die aufgrund der eigenen Aussage ein besonderes Gewicht erhalten oder erst Grund für diese Aussagen sind.
Neben strafrechtlichen Folgen sollte insbesondere in derartigen Fällen auch zivilrechtliche Folgen nicht unbeachtet bleiben. So ist es durchaus möglich, dass eine Aussage als Zeuge unter bestimmten Umständen den Grund für eine zivilrechtliche Inanspruchnahme liefert oder sich auf einen laufenden Zivilprozess negativ auswirkt. Sollte Derartiges erkennbar sein, empfiehlt es sich ebenfalls sich anwaltlich beraten und ggf. auch vertreten zu lassen.
Zum anderen kann der Zeugenbeistand im besten Wortsinn "Beistand" sein. Ein anwaltlicher Beistand kann im besten Fall Ängste nehmen und so z.B. verhindern, dass -strafbar- falsch ausgesagt wird. Ein Beispiel hierfür die der bedrohte oder eingeschüchterte Zeuge.
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