Der Fall des verstorbenen Offiziersanwärters nach einem Marsch am 19.07.2017 in Munster gibt angesichts aktueller Berichte über eine mögliche Verantwortlichkeit der Ausbilder für den Tod des jungen Mannes Anlass zur Frage ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich ein Übungsleiter, Ausbilder oder Dienstvorgesetzter bei dem Tod einer der zu führenden Personen wegen einer fahrlässigen Tötung strafbar machen kann.
Was konkret am 19.07.2017 passiert ist und welches Verhalten genau zu beanstanden wäre, entzieht sich der Kenntnis des Autors, so dass es sich im Folgenden eher um allgemeine rechtliche Ausführungen handelt wobei dennoch kurz auf die bekannten Umstände dieses konkreten Falles eingegangen werden soll.
Am 19.07.2017 fand ein (Übungs-)marsch statt an dem auch der später Verstorbene teilnahm. Nach Medienberichten herrschten an diesem Tag bis zu 27 Grad Celsius (so z.B. NDR vom 30.07.2017, hier abrufbar). Der später Verstorbene sei zusammengebrochen und 10 Tage später in einem Hamburger Krankenhaus an multiplen Organversagen verstorben.
Aktuell berichtet u.a. der Spiegel von einem Gutachten der Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Bericht vom 03.03.2018, hier abrufbar). Nach den Feststellungen dieses Gutachtens ergäben sich Anhaltspunkte für eine konkrete Verantwortlichkeit der Ausbilder. Insbesondere seien die, auch von anderen Soldaten an diesem Tag erlittenen Hitzschläge vermeidbar gewesen, wenn die Ausbilder die internen Regeln der Bundeswehr (z.B. Bekleidungsvorschriften) und ihre eigene Fürsorgepflicht ernst genommen hätten (Spiegel, aaO). Der Spiegel berichtet, es käme nun ein Strafverfahren auf die Ausbilder zu, dass sich auf den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und ggf. auch auf den Vorwurf der fahrlässigen Tötung beziehe.
Allgemeines zur fahrlässigen Tötung
Geregelt ist die fahrlässige Tötung in § 222 StGB, der wie folgt lautet:
"Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Neben dem Taterfolg, also dem Tod eines Menschen durch die Handlung (Tun oder Unterlassen) ist ersichtlich auch erforderlich, dass Handelnde auch objektiv sowie subjektiv sorgfaltswidrig gehandelt hat und ihm der Erfolg (Tod eines Menschen) auch objektiv zugerechnet werden kann.
Dreh- und Angelpunkt ist somit zumeist die Frage nach der Sorgfaltswidrigkeit eines Verhaltens (so auch: MüKoStGB/Hardtung, 3. Aufl. 2017, § 222, der die Sorgfaltspflichtverletzung als Leitkriterium bezeichnet). Das Maß der erforderlichen Sorgfalt richtet sich objektiv nach den Umständen der konkreten Lebenssituation und subjektiv nach den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des Handelnden (so auch: Fischer, StGB, § 222, Rn. 5). Besondere, auf den jeweiligen Lebenssachverhalt anwendbare Vorschriften sowie allgemeine (Verhaltens-)regeln bestimmen in vielen Fällen das Maß der erforderlichen Sorgfalt (z. B. Gesetze und Rechtsverordnungen zur Unfallverhütung). Darüber hinaus ist anerkannt, dass auch der Beruf bzw. die Position das Maß der anzuwendenden Sorgfalt bestimmt für leitende Angestellte: Bundesgerichtshof, Urteil v. 05.05.1977 - 1 StR 857/76, hier zitiert nach jurion; sogenanntes Übernahmeverschulden: BGHSt 10, 133; BGH 5 StR 18/10 - 29. April 2010 (LG Bremen) [= HRRS 2010 Nr. 488]).
Die Sorgfaltspflichten von Dienstvorgesetzten
Die vorstehenden Ausführungen gelten selbstverständlich auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Soldaten und Beamte.
Dort ist insbesondere auf die Einhaltung interner Regelungen zur Gefahrenabwehr, Unfallverhütung und zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken zu achten. Demnach kommt dem Verstoß gegen Verhaltensregeln, zu denen z.B. auch Kleidungsvorschriften soweit sie dem Gesundheitsschutz dienen, zählen zumindest eine Indizwirkung zu, die im Ergebnis zu Bejahung einer Fahrlässigkeit führt (so z.B. BGH 23.4.1953 – 3 StR 894/52, BGHSt 4, 182 (185) = NJW 1954, 121; OLG Karlsruhe 19.10.1989 – 3 Ss 68/89, VRS 78, 105 (107) zu den Verkehrsvorschriften der StVO; allg. OLG Karlsruhe 16.12.1999 – 3 Ss 43/99, VRS 98, 280 (282); OLG Hamm 7.6.1993 – 13 U 278/92, OLGZ 1994, 292 (293). S. auch LK-StGB/Jähnke Rn. 5).
Wie eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zeigt, können die Vorgaben zur Sorgfaltswidrigkeit auch Regelungen entstammen, die keinen Gesetzes- oder Verordnungscharakter haben (OLG Hamburg, Beschl. v. 28.4.2015 – 1 Rev 13/15, NStZ-RR 2015, 209). So könne sich das Maß für die anzuwendende Sorgfalt bei einem Übungsleiter auch nach den Verhaltensregeln der jeweiligen Sportverbände bestimmen.
Selbstverständlich wäre die Frage nach der Sorgfaltspflichtverletzung in derartigen Konstellationen nicht die einzige. Auch die Zurechnung der Erfolgs und die Erkennbarkeit können je nach den Umständen des Einzelfalls zum Wegfall einer strafrechtlichen Haftung der Ausbilder führen wobei nach Medienberichten auch noch nach dem Zusammenbruch des ersten Soldaten weitermarschiert werden musste, was wiederum für eine Erkennbarkeit sprechen könnte. Dennoch dürften die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass eine solche strafrechtliche Haftung nicht ausgeschlossen oder auch nur sehr unwahrscheinlich ist.
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