Während in der zivilrechtlichen Beratung und Vertretung die Frage nach der Verjährung ein regelmäßiger und bedeutender Aspekt ist, wird das Thema im Strafrecht eher stiefmütterlich behandelt. Doch gerade bei wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren lohnt sich ein Blick in die einschlägigen Normen, da derartige Taten erfahrungsgemäß eher später entdeckt und lange ermittelt werden.
Hinzukommt, dass durch die immer wieder diskutierte Überlastung der Ermittlungsbehörden die Ermittlungsverfahren gerade bei umfangreichen Sachverhalten wie sie sich beispielsweise im Bereich der Betäubungsmittel- oder Wirtschaftskriminalität finden, mehrere Jahre andauern können und auch eine Hauptverhandlung eine erhebliche Zeit andauern kann (siehe z.B. der sogenannte NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München).
Die Verjährungsfristen des Strafgesetzbuches
Geregelt ist die Verjährung in den §§ 78ff. StGB. Ist eine Tat verjährt, kann sie nicht mehr verfolgt werden (so auch: Fischer, StGB, 65. Auflage, § 78, Rn. 2). Die Verjährungsfristen ergeben sich aus § 78 Abs. 2 bis 4 StGB. Mord verjährt nach § 78 Abs. 2 StGB nicht.
Die Verjährungsfristen betragen im Übrigen
-
30 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
- 20 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren bedroht sind,
- 10 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als 5 und bis zu 10 Jahren bedroht sind,
- 5 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr und bis zu 5 Jahren bedroht sind,
- 3 Jahre bei allen übrigen Taten.
(Wortlaut des § 78 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 StGB)
Die Verjährungsfrist ist für jede Tat gesondert festzustellen und wird nach der schwersten tateinheitlich verwirkten Strafe beurteilt. Während Privilegierungen und Qualifikationen zu berücksichtigen sind, haben Schärfungen und Milderungen des allgemeinen Teils sowie Strafrahmenverschiebungen (mit Ausnahme des § 78b Abs. 4 StGB) keine Auswirkungen auf die ausschlaggebende Höchststrafe (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 1 StR 491/95 –, hier zitiert nach juris); Fischer, aaO, Rn. 5a).
Zur Illustration ein Beispiel. Nehmen wir an, es steht der Vorwurf eines Betruges im Juni 2009 im Raum. Der "einfache" Betrug ist gemäß § 263 StGB im Höchstmaß mit 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Demnach beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB 5 Jahre. Das bedeutet, wurde die Verjährung nicht unterbrochen (§ 78c StGB) oder hat sie geruht, ist die Verjährungsfrist im Juni 2014 abgelaufen. Diese Tat wäre also nicht mehr verfolgbar.
Der Beginn der Verjährungsfrist - Beendigung?
Wie bereits angedeutet, beginnt die Verjährung nach § 78a StGB "sobald die Tat beendet ist". Tritt der Erfolg der Tat erst später ein, beginnt die Verjährungsfrist erst dann. Es stellt sich also die Frage, wann eine Tat beendet ist. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass zunächst das gesamte tatbestandliche Verhalten beendet ist und ggf. auch der entsprechende Taterfolg eingetreten sein muss (so auch: Fischer, aaO, § 78a, Rn. 3). Konkret beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der tatbestandliche Erfolg eingetreten ist. Der letzte Tag ist entsprechend der Tag, der diesem kalendermäßig vorangeht.
Hierzu ein Beispiel. Schlägt jemand einen Anderen am 12. Juli 2008 mit der Faust in das Gesicht, ist am 12. Juli 2008 der tatbestandliche Erfolg eingetreten und die Verjährungsfrist beginnt. Sie endet, da die Körperverletzung mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB am 11. Juli 2013. Anders verhält es sich u.U. bei der Körperverletzung mit Todesfolge. Nehmen wir an, jemand verletzt den Anderen durch z.B. einen Schlag ohne ihn töten zu wollen. Der Geschlagene fällt darauf hin ins Koma und schwebt in Lebensgefahr. Dann mag die Verfolgungsverjährung hinsichtlich der Körperverletzung mit Ausführung des Schlages beginnen, stirbt das Opfer aber erst Wochen später beginnt die Verfolgungsverjährung hinsichtlich der Körperverletzung mit Todesfolge erst dann, wenn das Opfer auch verstorben ist, also der Taterfolg eingetreten ist.
Geht es um die Teilnahme an einer Straftat wie z.B. eine Beihilfe oder eine Anstiftung, kommt es nach der Rechtsprechung auf die Beendigung der Haupttat an (vgl. RGSt 5, 282, 286; 65, 361; RG DJ 1936, 1125; BGH Urteil vom 11. Februar 1958 – 5 StR 535/57 –, vom 20. Oktober 1961 – 2 StR 370/60; BGH, Urteil vom 11. Juni 1965 – 2 StR 187/65 –, BGHSt 20, 227-230, letztere zitiert nach juris). Wird die Beihilfe zu mehreren rechtlich selbstständigen Taten geleistet, beginnt deren Verjährung erst mit der Beendigung der letzten Haupttat (LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 18. November 2004 – 13 Ns 436/04 –, hier zitiert nach juris).
Allgemein kann es bei der Feststellung wann eine Tat beendet ist und die Verfolgungsverjährung beginnt, einige Überraschungen geben.
So hat der Bundesgerichtshof für den vorsätzlichen Bankrott durch Verheimlichen von Bestandteilen des Vermögens im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB entschieden, dass diese Tat erst beendet ist, wenn eine Restschuldbefreiung erteilt wurde (BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15 –, BGHSt 61, 180-188, hier zitiert nach juris; ein Beitrag zu dieser Entscheidung ist hier zu lesen).
Auch im Hinblick auf anderen Delikte des Wirtschaftsstrafrechts tritt ist die Beendigung der Tat erst zu einem -zumindest aus Laiensicht- unerwartet späten Zeitpunkt gegeben. Da der Bundesgerichtshof das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB als echtes Unterlassungsdelikt ansieht, soll eine Beendigung dann vorliegen und eine Verjährung beginnen, wenn der Beitragsanspruch (hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge) verjährt oder anderweitig erloschen ist (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 20. Mai 2005 – 1 Ss 252/04 –, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 27. September 1991 – 2 StR 315/91 –, zitiert nach juris). Diese Problematik war bereits Gegenstand eines eigenen Blog-Eintrags, der hier zu lesen ist.
Den gesamten Aufsatz (einschließlich der Teile 2 und 3) können Sie hier im PDF-Format herunterladen.
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Andreas Hierling (Sonntag, 10 November 2019 12:13)
Ich möchte das Beispiel der Körperverletzung oben aufgreifen, bei welcher das Opfer in's Koma fällt, aber den Beginn der Verjährung für den Fall erfragen, wenn das Opfer nun nicht an den Folgen stirbt, aber erst nach Ablauf der Verjährungsfrist, in diesem Fall also nach dem 11. Juli 2013 wieder aus dem Koma erwacht und somit vorher gar keine Möglichkeit gehabt hätte Strafanzeige zu erstatten.
Wäre die Tat dann trotzdem verjährt?
Sayıt (Dienstag, 10 Dezember 2019 07:41)
Bın
Adolf Schwebs (Mittwoch, 17 April 2024 11:23)
Es ist nicht nach vollziehbr, wenn eine Behörde (Staat) vorsätzlich falsche bzw. keine
Auskünfte erteilt, nach 5 Jahre verjährt sein soll. Obwohl Bürger/in womöglich ihr ganzes
Leben durch solche Behördenwillkür leiden müssen, bzw. ihre Existenz vernichtet wurde.
Nur weil die Verantwortlichen keine Ahnung oder Bewußtsein haben, wie in meinem Fall:
>>Adi Schwebs-Abbioweg 21 - 49086 Osnabrück << Mir wurde durch die "Gewissen-
losen Menschen von den Behörden, meine gesamte Existenz, vorsätzlich verichtet und
mein ganzes Leben versaut mit einem Schaden von über 3 Millionen € Für das ganze ist
ist die Stadt Osnabrück und der Bundesgerichtshof, verantwortlich, Dagegen etwas zu
unternehmen: SINNLOS - denn eine Krähe hackt der Anderen keine Auge aus.