Das Strafverfahren gegen -mutmaßliche- Mitglieder der sogenannten "Sharia Police" in Wuppertal erregte bundesweit Aufmerksamkeit.
Neben anderen, mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen durch Medien und "die Öffentlichkeit" mussten sich die Teilnehmer an einem abendlichen Rundgang bei dem einige der Teilnehmer Warnwesten mit der Aufschrift "Sharia Police" trugen, wegen eines Verstoßes gegen das Uniformverbot des § 3 Versammlungsgesetz vor dem Landgericht verantworten. Letztlich wurden sie freigesprochen.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin, hob der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Urteil auf und führte dabei umfangreich zu den Anforderungen an einen Verstoß gegen das Uniformverbot aus.
Der Tatbestand des § 3 Versammlungsgesetz
Doch zunächst zu den allgemeinen Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Versammlungsverbot. Die Regelung lautet:
"Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen."
(Die Wiedergabe des § 3 Abs. 2 der Ausnahmen für Jugendverbände vorsieht, bleibt unberücksichtigt.)
Zunächst ist erkennbar, dass die Regelung -anders als die weiteren Tatbestände des Versammlungsgesetzes- nicht nur Verhaltensweisen während einer Versammlung betrifft, sondern auch das Tragen der bezeichneten Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit im Allgemeinen verbietet. Damit steht sie, wie auch Wache und Ott feststellen, im Versammlungsgesetz am falschen Ort (Erbs/Kohlhaas/Wache, 217. EL Oktober 2017, VersammlG § 3; Rn. 1).
Weiter müssen Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke getragen werden. Demnach fallen mangels Eigenschaft als Kleidungsstück z.B. Anstecker, Buttons oder Vereinsnadeln nicht unter den Begriff und sind nicht verboten (so auch: Wache, aaO, Rn. 6). Bei alledem genügt jedoch die Gleichartigkeit des Aussehens; die Gleichartigkeit des Materials wird nicht vorausgesetzt (BGH, Urt. v. 12.5.1981 – 5 StR 132/81, BeckRS 1981, 05203).
Eine Uniform ist eine nach Form, Farbe, Schnitt oder Ausstattung gleichartige Bekleidung, die von der allgemein üblichen (zivilen) Kleidung abweicht. Erfasst werden nicht nur staatliche Uniformen, z. B. diejenigen der Bundeswehr oder der Polizei, sondern auch private, z. B. diejenigen von politischen Verbänden oder Jugendorganisationen (BayObLG, Urteil vom 20. Januar 1987 - RReg. 4 St 209/86, NJW 1987, 1778; vgl. auch Dietel/Ginzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl., Teil II, § 3 Rn. 4; Wache, Strafrechtliche Nebengesetze, aaO, Rn. 5; BGH, Urteil vom 11.01.2018 - 3 StR 427/17, hier zitiert nach bundesgerichtshof.de, dort Rn. 10 ).
Uniformteile sind Kleidungsstücke, die von jedem objektiven Betrachter ohne Schwierigkeiten wegen ihrer Gleichartigkeit als Bestandteil einer Uniform erkannt werden können, wie z. B. Waffenröcke, Mützen, Schulterstücke oder Stiefel (vgl. BayObLG, aaO; KG, Urteil vom 19. März 2001 - (3) 1 Ss 344/00 (105/00), hier zitiert nach juris, dort Rn. 6; Dietel/Ginzel/Kniesel, aaO; Erbs/Kohlhaas/Wache, aaO; BGH, aaO, Rn. 11).
Gleichartige Kleidungsstücke im Sinne des Gesetzes sind -z.B. nach Ansicht des dritten Strafsenats des Bundesgerichtshofes- alle Kleidungsstücke, die sich untereinander gleichen und der gemeinsamen politischen Gesinnung ihrer Träger Ausdruck verleihen (BGH, aaO, Rn. 15). Die ältere Rechtsprechung forderte eine Gleichartigkeit gegenüber Uniformen und Uniformteilen (BayObLG NStZ 1987, 234 = NJW 1987, 1778). Dass dies keine ausreichende Konkretisierung des weiten Wortlauts darstellt und z.B. dazu führt, dass auch die bei Streiks häufig getragenen Plastik-Lätzchen gegen das Uniformverbot verstoßen würden, musste auch der Bundesgerichtshof eingestehen (BGH, aaO, Rn. 15).
Aufgrund dessen will der dritte Strafsenat eine Beschränkung des Tatbestands anhand seiner Entstehungsgeschichte und nach dem Sinn und Zweck der Regelung vornehmen (BGH, aaO, Rn. 16). Demgemäß liege ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestivmilitante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen (vgl. etwa BVerfG [Vorprüfungsausschuss], Beschluss vom 27. April 1982 - 1 BvR 1138/81, NJW 1982, 1803; BayObLG, Urteil vom 20. Januar 1987 - RReg 4 St 209/86, NJW 1987, 1778; KG, Urteil vom 19. März 2001 - (3) 1 Ss 344/00 (105/00), hier zitiert nach juris, dort Rn. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2016 - III-3 Ws 52-60/16, hier zitiert nach juris, dort Rn. 17; OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 1 Rev 70/15-1 Ss 185/15, zitiert nach juris, dort Rn. 7; BGH, aaO, Rn. 16).
Bei dieser -zusätzlich geschaffenen- Voraussetzung handele es sich nach Ansicht des Senats nicht um eine reine Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdiger Fälle, sondern um ein eigenes Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen nach den allgemeinen Grundsätzen festzustellen sei (BGH, aaO, Rn. 18).
Demnach sei es aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, ob das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke in der konkreten Situation geeignet war, den Eindruck entstehen zu lassen, eine Kommunikation im Sinne freien Meinungsaustausches werde nicht zugelassen und die eigene Ansicht der einheitlich Bekleideten von diesen erforderlichenfalls auch gewaltsam durchgesetzt (BGH, aaO, Rn. 19).
Die Entscheidung zur "Sharia Police"
An eben diesen Feststellungen fehlte es dem Bundesgerichtshof in dem freisprechenden Urteil des Landgericht, so dass es mitsamt der Feststellungen aufgehoben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen wurde.
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