Falsche Verdächtigung - Die Risiken des "Anschwärzens" I

Einer Straftat verdächtigt zu werden stellt sich für den Betroffenen regelmäßig als eine große Belastung dar.

 

Dies gilt erst recht, wenn derjenige keine Straftat begangen hat und sich somit einer tatsächlich unbegründeten Verfolgung ausgesetzt sieht.

 

Auch wenn sich das Aufkommen eines -unbegründeten- Verdachts nur schwerlich vermeiden lässt, gibt es, insbesondere für den Anzeigeerstatter -strafrechtliche- Grenzen bei der Weitergabe von -vermeintlich strafbaren- Sachverhalten an die Ermittlungsbehörden.

 

Eine dieser Grenzen bildet der § 164 StGB, der die falsche Verdächtigung unter Strafe stellt. Er ist unterteilt in zwei Tatbestandsalternativen und einen Qualifikationstatbestand.

 

Dazu im Einzelnen:

Die falsche Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB

Nach § 164 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer "einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen".

 

Zunächst muss also eine Verdächtigung vorliegen. Darunter wird das Hervorrufen, Verstärken oder auch Umlenken eines Verdachts durch das Behaupten von Tatsachen verstanden (MüKoStGB/Zopfs, 3. Aufl. 2017, StGB § 164 Rn. 18; Fischer, StGB, 65, Auflage, § 164, Rn. 3).

 

Hierzu ein Beispiel:

 

Jemand behauptet eine andere Person hätte ihn mit der Faust in das Gesicht geschlagen. Damit wird ein Verdacht hervorgerufen. Ebenso tatbestandsmäßig ist aber auch das Unterstützen / Bestätigen einer solchen Behauptung und z.B. die Erklärung nicht eine Person hätte geschlagen, sondern eine andere.

 

Gegenstand dieser Verdächtigung muss eine rechtswidrige Tat oder eine dienstpflichtwidrige Handlung sein. Diese muss nach dem Inhalt der Verdächtigung bereits begangen worden sein. Nicht ausreichend ist der Hinweis auf ggf. zukünftig stattfindende Taten (so auch: Fischer, aaO, Rn. 5), obwohl diese unter Umständen als Vortäuschen einer Straftat im Sinne des § 145d StGB strafbar sein können.

 

Die vorgetragenen Tatsachen müssen objektiv unwahr sein und der Erklärende (z.B. Anzeigeerstatter, Zeuge o.Ä.) muss dies zu diesem Zeitpunkt auch wissen. Leichte Übertreibungen oder eine nur in Einzelheiten unzutreffende Behauptung sind in diesem Zusammenhang nicht strafbar, wenn das Kerngeschehen zutreffend wiedergegeben wird und die Schilderung nichts an der rechtlichen Qualifikation ändern (OLG München, Beschluss vom 4. 3. 2009 - 5 St RR 38/09, NStZ 2010, 219, beck-online, das zutreffend darauf hinweist, dass trotzdem eine Strafbarkeit wegen einer uneidlichen Falschaussage in Betracht kommt).

 

Für das oben geschilderte Beispiel bedeutet dies, dass der Faustschlag in das Gesicht entweder nicht stattgefunden haben muss oder ihn eine andere Person als die angegebene begangen haben muss. Hat der Faustschlag stattgefunden und der Anzeigende gibt wahrheitswidrig an, der Schlag sei nicht mit der Faust sondern z.B. mit einem Schlagring geführt worden, handelt es sich nach der u.a. vom Autor vertretenen Ansicht ebenfalls um eine falsche Verdächtigung, da sich damit die rechtliche Qualifikation des angegebenen Geschehens ändert (von einfacher Körperverletzung zu gefährlicher Körperverletzung).

 

Ist es zweifelhaft, ob der Beschuldigte die Tat begangen hat, kann sich der Beschuldigende nach Ansicht der Bundesgerichtshofes nicht wegen falscher Verdächtigung strafbar machen (BGH, Beschluß vom 01.09.1987 - 5 StR 240/86, NStZ 1988, 176, beck-online; OLG Rostock, Beschluß vom 8. 11. 2004 - 1 Ss 364/04 I 138/04, NStZ 2005, 335, beck-online).

 

Diese Ansicht wird zurecht kritisiert.

 

Strafbar soll nach dem Wortlaut der Regelung allein die wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung gegenüber zur Anzeigenaufnahme Berufenen sein. Ob der Beschuldigte tatsächlich eine Straftat begangenen hat, ist dabei nach hiesiger Ansicht irrelevant. Demnach muss auch die Verdächtigung von Schuldigen unter den Tatbestand fallen, wenn diese auf falsche Beweistatsachen oder Verdachtsgründe gestützt wird (so auch: Fezer, NStZ 1988, 177, beck-online; Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, 29. Aufl. 2014, StGB, § 164, Rn. 16).

Letzlich muss die Verdächtigung auch gegenüber einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich erfolgen. In der Praxis am Häufigsten sind Erklärungen gegenüber Polizeibeamten oder Staatsanwälten im Rahmen von Zeugenaussagen oder Strafanzeigen. Eine öffentliche Begehung liegt -wie bei anderen Taten auch- dann vor, "wenn sie für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Kreis oder für einen nicht durch persönliche Beziehungen innerlich verbundenen größeren bestimmten Kreis von Personen unmittelbar wahrnehmbar ist (KG JR 84, 249; Bay NStZ-RR 03, 233; Stegbauer JR 02 182, 187) oder zur unmittelbaren Wahrnehmung, wie zB im Btx-Verfahren (Walther NStZ 90, 523), im Internet (BGHSt 46, 212 [zu § 130]; Nürnberg CR 98, 686 [zu § 166]) oder in einem nicht speziell gesicherten Mailbox-Bereich (Frankfurt NStZ 99, 356 mit zust Anm Rückert [zu § 86a]) (...) angeboten wird, und zwar unabhängig davon, ob der Tatort ein öffentlicher ist (Hamm MDR 80, 159; Celle NStZ 94, 440; Walter JuS 06, 870, 873; Laufhütte/Kuschel LK12 8, 9 zu § 90)" (Lackner/Kühl/Kühl StGB, § 80a, Rn. 2, beck-online).

Das Aufstellen von Tatsachenbehauptungen nach § 164 Abs. 2 StGB

"Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen." (§ 164 Abs. 2 StGB)

 

Im Gegensatz zur Verdächtigung im Sinne des Absatzes 1 (siehe oben) sind nur solche Behauptungen erfasst, die nicht schon auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat oder Dienstpflichtverletzung eines anderen bezogen sind, da diese ausschließlich unter Abs. 1 fallen (MüKoStGB/Zopfs, StGB, § 164, Rn. 37, beck-online mit weiteren Nachweisen).

 

Dennoch müssen auch hier die behaupteten Tatsachen unwahr und geeignet sein, ein behördliches Verfahren oder zumindest eine hoheitliche Maßnahme gegen eine andere Person zu veranlassen. Auch wenn der Tatbestand, dies dem Wortlaut nach nicht erfordert muss aufgrund des Zusammenhangs mit der Regelung des Absatzes 1 verlangt werden, dass dieses Verfahren oder diese Maßnahme auf eine Sanktion oder sanktionsähnliche Maßnahme gerichtet ist (z.B. Ordnungswidrigkeit) (so auch: Zopfs, aaO).

 

Demnach können neben Bußgeldverfahren auch berufsrechtliche Verfahren z.B. gegen Ärzte oder Rechtsanwälte etc. tatbestandsmäßig sein.

 

Abschließend deshalb noch eine Anmerkung zum sogenannten "Punktehandel". Gibt z.B. der Halter eines Fahrzeugs im Anhörungsbogen zu einer möglichen Verkehrsordnungswidrigkeit -wahrheitswidrig- an, dass eine andere Person gefahren sei verwirklicht er -auch wenn der andere mit der dieser Verdächtigung einverstanden ist- den Tatbestand des § 164 Abs. 2 StGB (OLG Hamm 17.2.2009 – 3 Ss OWi 941/08, BeckRS 2009, 08383; VGH Hessen 10.9.2013 – 5 A 1656/13.Z, VRS 125, 127 (128); grds. auch OLG Celle 21.6.2007 – 32 Ss 89/07, SVR 2008, 430 und 23.4.2009 – 32 Ss 15/09, NZV 2009, 517). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Ordnungswidrigkeit bereits verjährt ist, was bei Verkehrsordnungswidrigkeiten recht schnell gehen kann.

Die Verdächtigung zur Selbstbegünstigung nach § 164 Abs. 3 StGB und Schlussbemerkungen

Besonders schwer bestraft werden soll, wer eine falsche Verdächtigung begeht um sich eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b StGB oder § 31 des Betäubungsmittelgesetzes zu sichern. Dann liegt die Strafe bei mindestens 6 Monaten Freiheitsstrafe, wenn nicht ein minderschwerer Fall im Sinne des § 164 Abs. 3 Satz 2 StGB vorliegt.

 

Da sich die bezeichneten Regelungen auf spezielle Straftaten (z.B. Betäubungsmitteldelikte) beziehen, kann auch nur im Hinblick auf diese Taten eine falsche Verdächtigung im Sinne des § 164 Abs. 3 StGB begangen werden.

 

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, darf das Risiko sich wegen falscher Verdächtigung nicht unterschätzt werden, dies gilt vor Allem bei vermeintlichen "Kavaliersdelikten" wie z.B. Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0