Bereits an anderer Stelle sind auf dieser Seite Ausführungen zum § 31 BtmG zu finden. Nach § 31 Nr. 1 BtmG muss der Beschuldigte durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte.
Diese Formulierung bedarf der Erläuterung. Eine Offenbarung liegt dann vor, wenn der Beschuldigte die Beteiligung an der Tat zutreffend schildert, insbesondere wenn er Hintermänner, Lieferanten oder Abnehmer benennt (Franke/Wienröder, BtmG, 2. Auflage, § 31, Rn. 4). Ebenso liegt eine Offenbarung in diesem Sinne vor, wenn der Beschuldigte nur einen Gehilfen benennt oder die Verhaftung bereits bekannter Mittäter ermöglicht, also einen Fahndungserfolg ermöglicht. Die Begründung eines Verdachts und die damit verbundene Schaffung einer Aufklärungsmöglichkeit reicht nicht aus (Körner/Patzak/Volkmer BtMG 7. Aufl. § 31 Rn. 104; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 2 StR 311/14 –, zitiert nach juris).
Zu den Voraussetzungen des § 31 BtmG müssen jedoch u.U. auch die Voraussetzungen des § 46b StGB vorliegen. Diese Regelung beschreibt die allgemeinen Voraussetzungen einer Aufklärungshilfe, die grundsätzlich auch außerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts möglich ist. Offenbart werden muss hier jedoch eine Katalogstraftat des § 100a Abs. 2 StPO.
Möglich ist auch hier eine Strafmilderung oder, unter den Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 4 StGB, sogar ein Absehen von Strafe.
Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit den notwendigen Schritten auf dem Weg zu einem Absehen von Strafe auseinandergesetzt und dabei -zum Teil neue- Grundsätze aufgestellt.
Das Urteil des 5. Strafsenats vom 25.09.2018 - 5 Str 251/18
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
"Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten A. im Zeitraum von Herbst 2015 bis Sommer 2016 gewinnbringend insgesamt anderthalb Kilogramm Marihuana, ein Kilogramm Crystal und 80 Gramm
Kokain. Weitere, ebenfalls zum gemeinsamen Weiterverkauf bestimmte 498,3 Gramm Crystal wurden
bei A. sichergestellt. Der Erlös aus den Betäubungsmittelgeschäften belief sich auf 60.580 Euro. (...)
Nachdem der Angeklagte auf frischer Tat von der Polizei gestellt und verhaftet worden war, räumte er die abgeurteilten, den Strafverfolgungsbehörden bis dahin lediglich teilweise
bekannten Taten umfassend ein. Zudem machte er detaillierte Angaben zu weiteren Tatbeteiligten und dem Lieferanten der tatgegenständlichen Betäubungsmittel. In der Folge offenbarte er Straftaten des in der örtlichen Drogenszene tätigen R. und benannte dessen Abnehmer. Kurz nach Eröffnung des Hauptverfahrens am
22. Januar 2018 gab er Wissen über eine weitere im Betäubungsmittelhandel verstrickte
Gruppierung um die gesondert Verfolgten Ri. und K. preis. Die Angaben des Angeklagten führten in Bezug auf die Tatbeteiligten sowie die Gruppe um R. zu Festnahmen, Anklagen und Verurteilungen in erster Instanz."
Das Landgericht hatte
daraufhin von Strafe abgesehen was wiederum die Staatsanwaltschaft mit der Revision angriff, die weitestgehend erfolgreich
war.
Der Strafsenat entschied zu den notwendigen Voraussetzungen eines revisionsfesten Absehens von Strafe:
"Gemäß § 31 Satz 3 BtMG in Verbindung mit § 46b Abs. 2 StGB ist bei der Ermessensentscheidung nach § 31 Satz 1 BtMG die geleistete Aufklärungshilfe konkret zur Schwere der Straftat und der Schuld des Täters ins Verhältnis zu setzen. Dabei darf das
Tatgericht nicht nur aufklärungsspezifische Kriterien in den Blick nehmen. Es sind vielmehr alle
Umstände des Einzelfalls abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 426/12,
StV 2013, 629, 630; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1056, 1793;
Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 31 Rn. 66 ff.)."
Demgegenüber hatte es das Landgericht unterlassen auch die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten, die Tatbegehung unter laufender Bewährung sowie den beträchtlichen Umfang des betriebenen Handels mit in die Erwägungen miteinzubeziehen, was der Senat beanstandete.
Auch seien einige der durch den Angeklagten offenbarten Taten nicht geeignet für die Annahme einer Aufklärungshilfe
nach § 31 Satz 1 BtmG, da sie verspätet im Sinne
des § 31 Satz 3 BtMG in
Verbindung mit § 46b Abs. 3 StGB seien. Dabei komme es nicht darauf an warum die Offenbarung nicht rechtzeitig erfolgte:
"Die Vorschriften über die Aufklärungshilfe kommen nur zur Anwendung, wenn der Täter sein Wissen rechtzeitig offenbart. Die Wahrung des Präklusionszeitpunkts stellt dabei schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine zwingende, nicht durch Auslegung korrigierbare Voraussetzung für die Anwendung des § 31 Satz 1 BtMG dar. Auch mit Sinn und Zweck der Präklusionsregelungen wäre es nicht vereinbar, wenn im Einzelfall geprüft werden müsste, auf welche Ursache eine Verspätung zurückzuführen ist. Dem Gericht soll nämlich ermöglicht werden, ermittlungsrelevante Angaben noch vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens überprüfen zu lassen und die Akten gegebenenfalls zum Zweck weiterer Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurückzusenden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2010 – 1 StR 538/10, StraFo 2011, 61 ), wobei maßgebend der Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses und nicht dessen Zustellung ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2010 – 1 StR 538/10, aaO; vom 5. Oktober 2016 – 3 StR 311/16, NStZ 2017, 298).
Eine nicht fristgerechte Aufklärungshilfe kann mithin nur bei der allgemeinen Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, aaO Rn. 32). In diesem Rahmen kann es gewichtet werden, wenn – wie vom 18 19 - 9 - Landgericht hier angenommen – die Verspätung auf Umständen beruht, die nicht in die Verantwortungssphäre des Angeklagten fallen."
Fazit
Die Entscheidung spricht eine deutliche Sprache.
Ein Absehen von Strafe soll selbst bei der Aufklärungshilfe eine absolute Ausnahme darstellen. Kommt sie zu spät (siehe oben), freuen sich zwar die Ermittlungsbehörden über die neuen Erkenntnisse, ein echter Nutzen für den Beschuldigten bleibt jedoch zumeist aus.
Gerade aber nicht nur deshalb sollte eine Aufklärungshilfe, also ein Geständnis ggf. über die eigenen Taten hinaus, nie ohne eine vorherige Beratung mit einem spezialisierten Rechtsanwalt und Akteneinsicht erfolgen wobei auch im Allgemeinen sehr Vieles gegen die Inanspruchnahme der Regelungen der § 31 BtmG, § 46b StGB spricht.
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