Die Höhe des sogenannten Verkürzungsschadens, also vereinfacht die Höhe der hinterzogenen Steuern spielt im Steuerstrafrecht eine große Rolle.
Dies gilt insbesondere für die Strafzumessung oder auch die Möglichkeit das Verfahren mit einer Einstellung nach § 153a StPO zu beenden.
Die Ermittlung dieses Schadens kann, je nach Fallgestaltung, sehr kompliziert sein, was insbesondere für Fälle der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Strafverfahren gilt.
Regelmäßig spielt dabei auch eine Rolle, ob abzugsfähige Positionen den Verkürzungsschaden reduzieren können. Dies ist grundsätzlich nur in sehr engen Grenzen möglich, da sich auch § 370 Abs. 4
Satz 3 AO ein sogenanntes Kompensationsverbot ergeben soll. Das bedeutet, eine Steuerverkürzung liegt
auch dann vor, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden
können
Demnach dürfen aufgrund des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO nur solche Steuerermäßigungen versagt werden, die der Steuerpflichtige aus „anderen Gründen“ hätte beanspruchen können.
Aus diesem Grund sind dem
beschuldigten Steuerpflichtigen nur derartige Steuervorteile anzurechnen, die sich aus der unrichtigen
Erklärung selbst ergeben oder die – im Falle des Unterlassens – ihm bei richtigen Angaben zugestanden hätten (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 – 5 StR 458/77 Rn. 6, StRK AO 1977 § 370 R.2; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn. 245). Dies gilt jedenfalls, wenn diese mit den verschleierten steuererhöhenden Tatsachen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen
(also nicht "aus anderen Gründen" hätte beansprucht werden können) und dem Täter ohne Weiteres rechtlich
zugestanden hätten (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, wistra
2010, 484, 493 Rn. 75 und vom 17. April 2008 – 5 StR 547/07 Rn. 23, wistra 2008, 310, 312; Bülte,
NZWiSt 2016, 1, 7).
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes - Eine Änderung der Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof hat sich aktuell mit einer Leisatzentscheidung, die auch zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (kurz: BGHSt) vorgesehen ist, mit der Frage auseinandergesetzt ob auch doe dem Steuerpflichtigen eigentlich zustehende Vorsteuererstattung schadensmindernd zu berücksichtigen ist.
Dies hatte der Bundesgerichtshof bislang abgelehnt und nur für das Ertragssteuerrecht eine entsprechende Möglichkeit angenommen (z.B. Werbungskosten und Betriebsausgaben) ( BGH, Urteile vom 26. Juni 1984 – 5 StR 322/84 Rn. 4, wistra 1984, 183 und vom 31. Januar 1978 – 5 StR 458/77, Rn. 6).
An dieser Rechtsprechung hält der 1. Strafsenat nun ausdrücklich nicht mehr fest und führt hierzu aus:
"Soweit eine nicht erklärte steuerpflichtige Ausgangsleistung eine tatsächlich durchgeführte Lieferung war und die hierbei verwendeten Wirtschaftsgüter unter den Voraussetzungen des § 15 UStG erworben wurden, hat eine Verrechnung von Vorsteuer und Umsatzsteuer stattzufinden.
Maßgeblich ist allerdings, dass auch die übrigen Voraussetzungen aus § 15 UStG – insbesondere die Vorlage einer Rechnung – im maßgeblichen Besteuerungszeitraum gegeben sind. Denn das Recht zum Vorsteuerabzug und der Umfang dieses Rechts bestimmt sich danach, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012, Portugal Telecom – C-496/11 , UR 2012, 762, 766 Rn. 36 mwN; Heidner in Bunjes, UStG, 17. Aufl., § 15 Rn. 18; anders noch BGH, Urteil vom 18. April 1978 – 5 StR 692/77 Rn. 23, UR 1978, 151, 152 und Beschluss vom 8. Januar 2008 – 5 StR 582/07 Rn. 4, wistra 2008, 153).
Der Vorsteuervergütungsanspruch ist davon abhängig, dass die Eingangsleistung der unternehmerischen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zuzurechnen ist (EuGH, Urteil vom 13. März 2008, Securenta – C-437/06, UR 2008, 344, 347 Rn. 28) und für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet wird (§ 15 Abs. 2 UStG; Art. 168 MwStSystRL).
Die tatbestandliche Handlung, die Umsatzsteuer auf den steuerpflichtigen Ausgangsumsatz nicht zu erklären, zieht die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs regelmäßig nach sich. Es besteht daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz, der zur Folge hat, dass der Vorsteuervergütungsanspruch im Rahmen der Verkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist (im Ergebnis zustimmend Madauß, NZWiSt 2012, 456 ff.; Reiß in FS für Mehle, 2000, S. 497, 505 ff.; Bülte in NZWiSt 2016, 1, 7; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 61 . Lfg., § 370 Rn. 529; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, 1 50. Lfg., § 370 Rn. 113; Erb, PStR 2009, 95, 98; Schindhelm, aaO S. 144; Haas in FS für Haarmann, 2015, S. 539, 558 f.)."
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