Die Falschbeurkundung im Amt nach § 348 StGB gehört sicher nicht zu den bekanntesten Straftatbeständen des Strafgesetzbuches.
Dennoch sollte die Reichweite der Regelung nicht unterschätzt werden.
Zwar handelt es sich bei der Falschbeurkundung im Amt wie der Name bereits suggeriert, um ein sogenanntes Amtsdelikt, allerdings sind damit nicht Beamte im engeren Sinne gemeint.
Wer nämlich Amtsträger im Sinne des Strafrechts ist, ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Danach ist Amtsträger, wer "nach deutschem Recht a) Beamter oder Richter ist, b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen."
Insbesondere die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB hat es in sich. Wie bereits Greeve und Dörr zutreffend ausführen, wird "wer mit Hilfe herkömmlicher Auslegung dieser Regelung zu Leibe rückt, schnell verzweifeln" (in: Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Auflage, § 20, Rn. 97). Ein echtes System ist kaum erkennbar, immer wieder tauchen Einzelfälle auf, die nur scheinbar eine Erweiterung oder Verengung des Amtsträgerbegriffs bedeuten.
Doch wagen wir einen -zugegebenermaßen recht oberflächlichen- Versuch.
Zunächst ist eine Bestellung (zur Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung) notwendig. Diese setzt einen Bestellungsakt voraus (Greeve/Dörr, aaO, Rn. 98; Fischer, StGB,
61. Auflage, § 11, Rn. 20 mit weiteren Nachweisen; zuletzt auch: OLG Celle, Beschluss vom 02. August 2016 – 1 Ws 358/16, 1 Ws 359/16 –, zitiert nach juris). Anders als man im hochformellen
Bereich der deutschen Verwaltung annehmen könnte, ist hierfür jedoch keine besondere Form erforderlich (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96 –, zitiert nach
juris). Voraussetzung ist die Heranziehung zu einer Tätigkeit von gewisser Dauer oder eine Eingliederung in die Struktur der beauftragenden Behörde (Greeve/Dörr, aaO).
Kommt man zu einer Bestellung, was wie gezeigt keine sonderlich hohen Hürden bereitet, müssen auch Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden. Dies sind solche, die ein
Hoheitsträger -zulässigerweise- für sich in Anspruch nimmt (KG Berlin, Beschluss vom 15. November 1993 – (4) 2 HEs 15/93 (177/93) - Ws 272/93 –, zitiert nach
juris, dort 2. Leitsatz). Eine Unterscheidung in Eingriffs- und Leistungsverwaltung wird dabei nicht vorgenommen; auch die fiskalische Verwaltung fällt hierunter (so auch: Fischer, aaO,
Rn. 22). Für den Fall, dass der Staat hoheitliche Aufgaben durch privatrechtlich organisierte Handlungsformen wahrnimmt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2009 – 2 StR 104/09 –, zitiert nach juris, dort Rn. 35; Greeve/Dörr, aaO, Rn. 101 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung) ,
dass sich diese Tätigkeit -will man sie als öffentliche Verwaltung ansehen- als "verlängerter Arm des Staates" darstellen muss. Es ist eine staatliche Steuerung der Gesellschaft notwendig
(Fischer, aaO, Rn. 22b mit weiteren Nachweisen) Deshalb lehnte der Bundesgerichtshof beispielsweise die Amtsträgereigenschaft von Mitarbeitern einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft
ab (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 506/06 –, zitiert nach juris). Diese nehme keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, weil die
Zurverfügungstellung von Wohnraum durch gleichwertige Leistungen anderer Wohnungseigentümer ersetzt werden könne.
Im Ergebnis kann nur eine -mehr oder weniger vage- Prognose hinsichtlich der Amtsträgereigenschaft gestellt werden wobei sich in der Verteidigung einer ausgereifte Argumentation bereits im Ermittlungsverfahren sehr zum Vorteil des Beschuldigten auswirken kann.
Um jedoch auch dem juristischen Laien einen Anhaltspunkt zu geben, bei welchen Tätigkeiten und Position bereits eine Amtsträgereigenschaft angenommen wurde, folgen einige Beispiele:
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Vorstandsmitglieder einer Landesbank (BGH, Urteil vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82 –, BGHSt 31, 264-290, hier zitiert nach juris)
- Geschäftsführer einer GmbH zur Müllentsorgung, deren Alleingesellschafter der Landkreis ist (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 5 StR 70/06 –, zitiert nach juris)
- Mitglieder des Prüfungsausschusses eines Schießsportvereins zur Abnahme der Sachkundeprüfung gem. § 3 Abs. 5 AWaffV (OLG Celle, Beschluss vom 02. August 2016 – 1 Ws 358/16, 1 Ws 359/16 –, zitiert nach juris)
- Mitglied des Leitungsorgans eines Rechtsanwaltsversorgungswerks (BGH, Urteil vom 09. Juli 2009 – 5 StR 263/08 –, BGHSt 54, 39-44, hier zitiert
nach juris)
- Ehrenbeamte, z.B. ehrenamtlicher Bürgermeister (BGH, Urteil vom 09. September 2014 – 5 StR 200/14 –, zitiert nach juris)
Ebenso ein zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes der Prüfingenieur, der zur Durchführung der Hauptuntersuchung an Kraftfahrzeugen nach § 29 StVZO betraut ist (BGH, Beschluss vom 16.08.2018 - 1 StR 172/18). Dies führt z.B. auch dazu, dass wer eine solche Person für die Erteilung der Prüfplakette Geld (nicht die Gebühren) zahlt sich ggf. wegen Bestechung im Sinne des § 334 Abs. 1 StGb strafbar macht.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof (aaO) hatte folgenden Fall zu entscheiden:
"Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Fällen II. 4. a) -j) der Urteilsgründe war der Angeklagte seit Juni 2006 als Prüfingenieur der G. GmbH und Co. KG (G.) unter anderem mit der Durchführung von Hauptuntersuchungen (HU) an Fahrzeugen nach § 29 StVZO betraut. Im Zeitraum von Mitte Oktober 2012 bis Ende Januar 2014 brachte er in acht Fällen an amtlichen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sog. HU-Prüfplaketten an, obwohl er in einigen Fällen wusste und es in anderen Fällen aufgrund lediglich oberflächlicher Prüfung billigend in Kauf nahm, dass die betreffenden Fahrzeuge erhebliche Mängel aufwiesen und die Prüfplakette zu versagen gewesen wäre. Den aufgrund der nach wie vor bestehenden Prüfpflichtigkeit der Fahrzeuge in Wirklichkeit nicht zutreffenden Termin zur nächsten Hauptuntersuchung trug der Angeklagte in diesen Fällen in die Zulassungsbescheinigung Teil I ein und stempelte diese jeweils mit dem Stempel der G., auf dem seine Prüfingenieurnummer ersichtlich war.In zwei weiteren Fällen bescheinigte der Angeklagte jeweils mit erheblichen Mängeln behafteten Fahrzeugen das Bestehen der Hauptuntersuchung in dem von ihm erstellten Untersuchungsbericht, obwohl er wusste bzw. billigend in Kauf nahm, dass solche Mängel vorlagen. In diesen Fällen hielt er es auch für möglich und nahm billigend in Kauf, dass der gutgläubige Sachbearbeiter der zuständigen Zulassungsstelle auf der Grundlage des unzutreffenden Untersuchungsberichts die HU-Prüfplakette zuteilen und die entsprechenden Eintragungen über den Zeitpunkt des Termins zur nächsten Hauptuntersuchung in die Zulassungsbescheinigung Teil I vornehmen würde, was auch geschah."
Der Senat sah hierin eine Falschbeurkundung im Amt in mehreren Fällen und fasste zu der Frage, ob auch die HU-Prüfplakette eine rechtlich erhebliche Tatsache im Sinne des § 358 StGB darstellt den folgenden Leitsatz:
"Die an dem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette beurkundet mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB neben dem Termin der nächsten Hauptuntersuchung auch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Durchführung der Hauptuntersuchung."
Damit entschied der Bundesgerichtshof einen länger bestehenden Streit in Literatur und Rechtsprechung über den Erklärungswert der HU-Prüfplakette zugunsten der Auffassung, die davon ausgeht, dass die Prüfplakette nicht nur anzeigt wann die nächste Hauptuntersuchung stattzufinden hat, sondern darüber hinaus auch den Nachweis enthält, dass die geprüften Fahrzeuge zum Zeitpunkt der letzten Hauptuntersuchung als vorschriftsmäßig befunden wurden. Begründet wird dies wie folgt:
"Denn § 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO bestimmt, dass die angebrachte Prüfplakette bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist. Die in Bezug genommene Nummer 1.2 Anlage VIII zur StVZO enthält weitere Regelungen über die Hauptuntersuchung und deren Durchführung. In Nummer 3.1.4 Anlage VIII zur StVZO ist für die vier möglichen Ergebnisseder Hauptuntersuchung (Feststellung von keinen Mängeln, geringen Mängeln, erheblichen Mängeln sowie Mängeln, die das Fahrzeug verkehrsunsicher machen) im Einzelnen aufgeführt, welche Konsequenzen sich daraus für die Erteilung der HU-Prüfplakette ergeben. Nummern 3.1.4.1 und 3.1.4.2 Anlage VIII zur StVZO sehen vor dass eine HU-Prüfplakette zugeteilt und angebracht werden kann, wenn entweder keine oder nur geringe Mängel, deren unverzügliche Beseitigung (spätestens innerhalb eines Monats) zu erwarten ist, festgestellt werden. In Nummer 3.1.4.3 Anlage VIII zur StVZOist bestimmt, dass bei Feststellung erheblicher Mängel diese in den Untersuchungsbericht einzutragen sind und (zunächst) keine HU-Prüfplakette zugeteilt werden darf. Angesichts dieser eindeutigen Regelungen ist davon auszugehen, dass die Feststellung des Nichtvorhandenseins erheblicher Mängel kraft Gesetzes Inhalt der Urkunde ist."
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