Vermögensabschöpfung bei dem "faktischen Geschäftsführer" - So einfach ist es nicht!

Seit der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (in Kraft seit dem 01.07.2017) die Vermögensabschöpfung im Strafverfahren umfassend reformiert hat, spielt diese in Strafverfahren aller Art eine erheblich größere Rolle.

 

Dies führt auch zu vielen neuen Fragestellungen bei der Verteidigung. Gerade in kleineren und mittleren Wirtschaftsstrafsachen verschiebt sich im Ermittlungsverfahren der Fokus der Verteidigung vermehrt von der Verteidigung in der Sache weg hin zu einer Verteidigung gegen die Maßnahmen zur Sicherung der Vermögensabschöpfung, namentlich den Vermögensarrest.

Grundsätzliches zur Vermögensabschöpfung

"Verbrechen darf sich nicht lohnen" war -vereinfacht- die Losung hinter dem Recht der Vermögensabschöpfung, welche sich mit der Reform noch deutlicher zeigt.

 

Demnach sollen Vermögenswerte, die mit Straftaten in Zusammenhang stehen, also sich z.B. als Ertrag aus diesen darstellen, nicht bei dem Täter oder einem -nicht gutgläubigen- Dritten (z.B. dem vom Täter geführten Unternehmen) verbleiben, sondern -je nach Fallkonstellation- dem Fiskus oder dem/den Geschädigten zufallen.

 

Zu unterscheiden sind die Maßnahmen zur Sicherung der zukünftigen Vermögensabschöpfung, in Form des Vermögensarrests oder der Beschlagnahme von der eigentlichen Einziehung, die erst mit einer Abschlussentscheidung im Strafverfahren erfolgt.

 

Gerade die -nur vorläufigen- Sicherungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren können jedoch eine verheerende Wirkung für den Beschuldigten oder den Dritten haben, steht ihm doch dieses Vermögen, häufig bis zum Abschluss des Strafverfahrens, nicht zur Verfügung.

 

Dies ist nach der Reform bereits bei der begründeten Annahme, dass die Voraussetzungen einer Einziehung oder Unbrauchbarmachung vorliegen, möglich (siehe nur: §§ 111b Abs. 1 Satz 1, § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO). Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, wird, wird es auch Meißner und Schütrumpf (in Vermögensabschöpfung, Kapitel 3, S. 43) ausdrücken "zum Regelfall", was durch die Formulierung "soll (...) angeordnet werden" zum Ausdruck kommt.

 

Dennoch gibt es Verteidigungs- und Verhandlungsansätze, die es zu kennen gilt.

Vermögensabschöpfung bei dem "faktischen Geschäftsführer" - Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken

Aufgrund der noch jungen Reform des Vermögensabschöpfungsrechts herrscht in vielerlei Hinsicht noch Unklarkeit über die Auslegung der neuen, teils erheblich erweiterten Tatbestände.

 

Umso mehr gilt es erste Tendenzen in der aktuellen Rechtsprechung zu erkennen und auf Verteidigungsansätze hin zu analysieren.

 

Eine dieser neuen interessanten Entscheidungen stammt vom pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken (09.08.2018 - 1 OLG 2 Ss 23/18, hier zitiert nach StraFo 2018, 488-490).

 

Zu entscheiden war die Frage, wann die Einziehung von Taterträgen bei einem Vertreter oder Beauftragten eines Unternehmens möglich ist.

 

Zum Hintergrund:

 

Nach § 73 StGB ist das durch oder für die Tat Erlangte einzuziehen. Gleiches gilt für die aus dem Erlangten gezogenen Nutzungen und z.B. die durch die Veräußerung des Erlangten erworbenen Gegenstände.

 

Da dies sehr abstrakt ist, hierzu ein Beispiel:

 

Das Geld war jemand aus dem Drogenhandel erhält, hat er dieses durch die Tat (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) erlangt. Es ist nach § 73 StGB einzuziehen. Dies gilt jedoch auch, wenn die Person sich von diesem Geld beispielsweise ein Kraftfahrzeug kauft. Dann hat die Person durch die Veräußerung des Erlangten wiederum einen einziehungsfähigen Gegenstand erworben.

 

Noch komplizierter wird es, wirft man einen Blick auf, im Wirtschaftsstrafrecht typische Fallkonstellationen. Dort begeht regelmäßig nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person (z.B. eine GmbH) -zumindest formell- die Straftat. Da Unternehmen aber nach dem derzeit geltenden Strafrecht nicht bestraft werden können (zu den Ausnahmen lesen Sie hier mehr), haften strafrechtlich die Vertreter wie z.B. der Geschäftsführer.

 

So hat bei einer Körperschaftssteuerhinterziehung regelmäßig nicht der Geschäftsführer sondern -zunächst- nur die GmbH im Sinne des Gesetzes "etwas erlangt". Eine Einziehung kann dann nur bei der GmbH (nach § 73b StGB), nicht jedoch bei dem Geschäftsführer erfolgen. Doch wie verhält es sich, wenn der Geschäftsführer auf das rechtswidrig Erlangte Zugriff hatte und diesen auch genutzt hat.

 

Hier stellen sich viele Abgrenzungsfragen, die u.a. das pfälzische Oberlandesgericht zu entscheiden hatte.

 

Letztlich entschied sich das Oberlandesgericht dafür eine Einziehung nur dann zuzulassen, wenn auch tatsächlich Verfügungsgewalt über das Erlangte hat.

 

Der redaktionelle Leitsatz lautet entsprechend:

 

"Bewirkt der Täter als Vertreter oder Beauftragter einer juristischen oder natürlichen oder Organ einer juristischen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen, kann er grundsätzlich nur dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innegehabt hat (Red.)"

 

In der Folge muss das Gericht Feststellungen dazu treffen, ob der Vertreter, der nach der Rechtsprechung auch der faktische Geschäftsführer sein kann, tatsächlich über die Taterträge verfügen konnte.

 

Hierzu führt das Gericht aus:

 

"§ 73 Abs. 1 StGB bezweckt die Abschöpfung desjenigen Vermögenswerts, den der Tatbeteiligte durch die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar·messbar zugeflossen ist (BGH, Urt. v. 8.2.2018 – 3 StR 560/17, juris Rn 10). Aus dem Umstand, dass der Angekl bei der Führung des Betriebs mitgewirkt hatte und (u.a.) mit der Auszahlung der Gehälter beauftragt gewesen war, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht bereits auf eine Erlangung eines Vermögenszuwachses auf Seiten des Angekl schließen. Bewirkt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen oder natürlichen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen, kann er grundsätzlich nur dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innegehabt hat (BGH, Beschl. v. 22.7.2014 – 1 StR 53/14, juris Rn 6). Es bedarf daher stets der Feststellung tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Täter persönlich etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat, etwa weil eine Trennung von Privatvermögen des Täters und dem Vermögen des Beauftragenden tatsächlich nicht besteht (BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, juris Rn 75). Eine allein faktische Zugriffsmöglichkeit des Täters auf das Vermögen des Vertretenen bzw. Beauftragenden (§ 14 Abs. 2 StGB) reicht in diesem Zusammenhang nicht aus (BGH, Urt. vom 23.10.2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93)."

 

Notwendig sei für eine Vermögensabschöpfung bei dem Vertreter, dass der Vermögenszufluss bei dem Unternehmen auch einen Vermögenszuwachs bei dem Vertreter bewirkt hat.

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