Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB stellt einen vergleichsweise häufig vorkommenden Vorwurf dar.
Neben der strafrechtlichen Sanktion im eigentlichen Sinne, Geldstrafe oder bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe, kommt dabei auch die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht, wenn sich der Täter als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen herausstellt.
Der § 69 Abs. 2 StGB stellt dabei die Vermutungsregel auf, dass wer eine Tat im Sinne dieser Regelung begeht, regelmäßig ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Zu diesen Taten gehört auch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Dies jedoch nur dann, wenn, wie es § 69 Abs. 2 Nr. 3 ausdrückt, "der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist".
Ist bereits im Ermittlungsverfahren ersichtlich, dass ein solcher Fall vorliegen wird, kann die Staatsanwaltschaft auch schon vor Anklageerhebung oder Beantragung des Erlasses eines Strafbefehls die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO beantragen.
Sieht das Gericht dann dringende Gründe für Annahme, dass in einem späteren Urteil oder Strafbefehl die Fahrerlaubnis entzogen werden wird -also z.B. ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort begangen wurde und ein bedeutender Fremdschaden eingetreten ist- entzieht es die Fahrerlaubnis vorläufig.
Der bedeutende Fremdschaden und das Bayerische oberste Landesgericht
Nachdem bundesweit zu beobachten war, dass die Beschwerde- und Berufungsgerichte die Wertgrenze für den bedeutenden Fremdschaden sukzessive erhöhten, hat mit Beschluss vom 17.12.2019 (204 StRR 1940/19, hier zitiert nach www.gesetze-bayern.de) auch das Bayerische Oberste Landesgericht hierzu im Rahmen einer Revisionsentscheidung Stellung genommen.
Das Gericht sieht insbesondere die Bestimmung der Wertgrenze bei 2.500,00 €, wie sie beispielsweise vom Landgericht Nürnberg-Fürth, dem Landgericht Landshut oder auch dem Landgericht Stralsund (lesen hierzu hier mehr) vorgenommen wurde, kritisch und vermag sich ihr nicht anzuschließen.
Auch wenn das Bayerische Oberste Landesgericht selbst keine konkrete Wertgrenze bestimmt, scheint es dahin zu tendieren nur eine leichte Erhöhung des in der Vergangenheit oftmals mit 1.3000,00 € angegebenen Wertes auf ca. 1.500,00 bis 1.600 € für angemessen und sachgerecht zu erachten.
Hierzu führt es aus:
"Für eine Anhebung könnte sprechen, dass es sich bei der Wertgrenze für das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB grundsätzlich um eine veränderliche Größe handelt, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist. Hierbei mag die Orientierung an dem jährlich vom Statistischen Bundesamt berechneten und veröffentlichten Verbraucherindex ein Anhaltspunkt zu sein, um die Bestimmung vorzunehmen. Dies kann jedoch nicht allein ausschlaggebend sein, da ansonsten die Wertgrenze des bedeutenden Schadens jährlich oder in sogar noch kürzeren Zeiträumen jeweils neu festgesetzt werden müsste. Es verbietet sich daher eine schematische Anwendung. Vielmehr bedarf es der Betrachtung einer Mehrzahl von Kriterien, um die Annahme eines bedeutenden Schadens feststellen zu können. Insbesondere darf, da Rechtsgut der Vorschrift des § 142 StGB die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche ist, die allgemeine Einkommensentwicklung nicht außer Acht gelassen werden (OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30; MüKo-StGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, a.a.O., § 69 Rn. 71 m.w.N.). Weiter ist bei der Festsetzung der Grenze des bedeutenden Schadens die Relation innerhalb der Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, NZV 1991, 237, 238). Insgesamt ist zu beachten, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, eine Anhebung der Wertgrenze nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht komme (vgl. BGH, NStZ 2011, 215, juris Rn. 11 zur Wertgrenze des § 315b Abs. 1 StGB; OLG Stuttgart, StRR 2018, Nr. 9, 22, juris Rn. 30 zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB)."
(BayObLG München, aaO, Rn. 20)
Eine Erhöhung auf 2.500,00 € rechtfertige dies jedoch keinesfalls (Rn. 24). Ob dem Bayerischen Obersten Landesgericht schon eine Wertgrenze von 1.800,00 € zu hoch ist, lässt es offen.
Die Argumentation des Gerichts muss als lückenhaft bezeichnet werden. Es erwähnt zwar die Argumente derer, die für eine hohe Wertgrenze von bspw. 2.500,00 € plädieren, setzt sich jedoch nur sehr oberflächlich mit ihnen auseinander. So bezeichnet das Gericht zwar die Erwägungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth zur Preisentwicklung als zutreffend, stellt sodann aber in nur einem Satz fest, dass dies eine solche Anhebung (auf 2.500,00 €) nicht rechtfertige. Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Geschichte des bedeutenden Fremdschadens findet insoweit nicht statt. Das -auch nach Ansicht des Autors- gewichtige Argument, dass aufgrund der Gleichsetzung des Begriffs des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung oder nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB eine gewisse Gleichwertigkeit dieser Rechtsgutverletzungen mit der Höhe des bedeutenden Fremdschadens geboten sei, wird schlicht überhaupt nicht diskutiert.
Letztlich sei auch das Folgende angemerkt:
Die Verknüpfung des Tatbestands des unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit dem Begriff der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist, vorsichtig ausgedrückt, strukturell wenig überzeugend.
Nimmt man die anderen, in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB aufgezählten Tatbestände in den Blick fällt auf, dass diese erhebliches Fehlverhalten im fließenden oder zumindest mit Bezug zum fließenden Verkehr zum Gegenstand haben. Schutzrichtung ist hier die Sicherheit der Straßenverkehrs.
Dies ist bei dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB -wie auch das Bayerische Oberste Landesgericht nicht verkennt- nicht der Fall. Diese Regelung sanktioniert ausschließlich ein Fehlverhalten nach einem Unfall ohne dass dieser in irgendeiner Weise durch ordnungswidriges oder strafbares Verhalten verursacht worden sein muss. Der § 142 StGB schützt als Erfolgsdelikt allein die Feststellung und Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche, nicht die Sicherheit des Straßenverkehrs.
Warum also jemand, der unerlaubt den Unfallort verlässt, nunmehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sein soll, erschließt sich nicht.
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