Auch schon vor dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. S. 872) gab es die Möglichkeit potentiell einzuziehende Vermögenswerte schon vor Abschluss des Verfahrens zu sichern. Da dies mit einem erheblichen Eingriff in das Vermögens des Beschuldigten, der ja von Gesetzes wegen als unschuldig zu gelten hat (Art. 6 Abs. 2 EMRK), einhergeht, sah der § 111b StPO (iVm § 111d StPO a.F.) in der Fassung bis zum 01.07.2017 eine Fristenlösung vor.
Diese Fristenlösung orientierte sich für die zulässige Dauer vermögenssichernder Maßnahmen an dem Verdachtsgrad. Bis zu einer Dauer von 6 Monaten reichte der einfache Verdacht (so auch: Meißner/Schütrumpf, Vermögensabschöpfung, S. 58). Ab einer Dauer der Vollziehung des Arrests von über 6 Monaten war es gemäß § 111b Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. erforderlich, dass "dringende Gründe" für einen Tatverdacht bestehen oder die Frist wegen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs oder wegen eines anderen wichtigen Grundes nicht ausreicht. Ab einer Dauer der Arrestvollziehung von mehr als 12 Monaten mussten gemäß § 111b Abs. 3 Satz 3 StPO a.F. immer dringende Gründe für eine Verlängerung vorliegen.
Verhältnismäßigkeit und Übermaßverbot - Zur aktuellen Rechtslage bei der Vollziehung des Vermögensarrests
Der § 111b StPO a.F. wurde im Zuge der oben bezeichneten Reform vollkommen verändert. Die Fristenlösung ist vollständig entfallen. Begründet wird dies vom Gesetzgeber damit, dass die ursprüngliche Regelung "inkonsequent und wenig verständlich" sei (BT-Drucksache 18/9525, S. 49).
Sie sei außerdem nur "Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes", der "von Verfassung wegen bereits bei der Anordnung und selbstverständlich auch bei der Fortdauer vorläufiger Sicherungsmaßnahmen besonders beachtet werden" muss (BT-Drucksache 18/9525, aaO). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Schutz des Betroffenen durch die Vereinfachung nicht beeinträchtigt werde.
Nach der Rechtsprechung (z.B. OLG Rostock, Beschluss vom 12. April 2018 – 20 Ws 42/18 –, juris, das die Anordnung der Vermögensarrest bemerkenswerterweise als "Untersuchungshaft für Vermögen" bezeichnet) ist eine Abwägung des Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit mit dem Grundrecht des Betroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG vorzunehmen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2008 - 2 Ws 155/08 - juris -). Dabei wachsen mit der den Eigentumseingriff intensivierenden Fortdauer der Maßnahme von Verfassung wegen die Anforderungen an die Rechtfertigung der Anspruchssicherung (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2006 - 2 BvR 583/06 - juris Rn. 5; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.10.2017 - 1 Ws 163/17 - juris Rn. 18). Vereinfacht ausgedrückt: Je länger die Vollziehung des Vermögensarrests als nur vorläufige Maßnahme andauert, desto höher ist der Rechtfertigungsaufwand (so auch: Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, § 111e, Rn. 9 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Wann nun konkret die Vollziehung des Vermögensarrests unverhältnismäßig wird, lässt sich nicht an starren Fristen festmachen. Es ist eine Frage des Einzelfalls. Selbst die -insoweit als starr zu bezeichnende- Regelung des ehemaligen § 111b Abs. 3 StPO ließ Raum für einen langandauernden Arrest in besonderen Fällen (s.o.). Köhler (aaO) weist zurecht darauf hin, dass neben der Bewertung des Verdachtsgrades, der sich im Zuge eines Ermittlungsverfahrens immer wieder ändern kann, auch der Umfang der Vermögenssicherung bzw. besser: des Vermögensentzugs und die Rolle des Betroffenen in die Abwägung einbezogen werden müssen.
Vergleich der Rechtslagen - Hat der Gesetzgeber recht?
Rein rechtlich gesehen, kann der gesetzgeberischen Wertung, ein Nachteil für den Betroffenen sei mit der Streichung des alten § 111b Abs. 3 StPO nicht verbunden, -zumindest teilweise- zugestimmt werden. Der Betroffene hat jederzeit die Möglichkeit gegen die Anordnung des Vermögensarrests gerichtliche Entscheidung (bei Maßnahmen der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen, praktisch relevant nur bei der Beschlagnahme beweglicher Sachen wegen § 111j Abs. 2 Satz 2 StPO) oder Beschwerde mit dem Antrag der Aufhebung des Vermögensarrests (bei gerichtlicher Anordnung) zu beantragen und dabei die Unverhältnismäßigkeit zu rügen.
Allerdings, und dies muss als gehöriger Nachteil angesehen werden, fällt der gesetzlich geregelte Prüfauftrag mit Ablauf der 6-Monats-Frist nunmehr weg. Damit ist es nunmehr -faktisch- an dem Betroffenen, Umstände darzulegen, aus denen sich eine Unverhältnismäßigkeit des weiteren Vollzugs des Vermögensarrests ergeben soll. Faktisch ist dies eine Schlechterstellung des Betroffenen gegenüber der früheren Rechtslage. Hinzukommt, dass auch die Gerichte ggf. dazu tendieren könnten die gesetzgeberische Wertung dahingehend fehl zu interpretieren, dass nunmehr von einem insgesamt längeren Zeitraum der Verhältnismäßigkeit auszugehen sei.
Demnach kann die Antwort auf die, in der Überschrift aufgeworfene Frage nur, wie für Juristen typisch, lauten: Es kommt darauf an!
Kommentar schreiben