Ein bisschen Zeugnisverweigerung? - Zur Zulässigkeit beschränkter Zeugnisverweigerung

Die Strafprozessordnung sieht in den §§ 52 bis 53a StPO verschiedene Zeugnisverweigerungsrechte vor (Vgl. hierzu auch: Lanz, Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte II - Die Selbstbelastungsfreiheit des Zeugen nach § 55 StPO oder Lanz, Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte III - Das Zeugnisverweigerungsrecht des Angehörigen nach § 52 StPO).

 

Macht eine Zeugin, berechtigterweise, von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, sind so ist die weitere Vernehmung unzulässig im Sinne der §§ 244 Abs. 3 Satz 1, 245 Abs. 2 Satz 2 StPO.

 

Für die bereits getätigten Aussagen gilt dann die Regelung des § 252 StPO, der nicht nur die Verlesung des Protokolls einer früheren, z.B. polizeilichen Vernehmung sondern auch die Verwertung der Angaben auf andere Weise, z.B. durch die Vernehmung der sogenannten Verhörsperson (z.B. des vernehmenden Polizeibeamten) verbietet (statt Vieler: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 252, Rn. 13). Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn ein Verwandtschaftsverhältnis bei der ersten Vernehmung noch nicht bestand, also z.B. erst vor der Vernehmung in der Hauptverhandlung geheiratet wurde oder sich der Zeuge mit dem Angeklagten verlobt hat. Dann ist jedoch zu beachten, dass der Bundesgerichtshof in Fällen der unlauteren Verfahrensmanipulation, also wenn z.B. eine Heirat nur erfolgt um das Zeugnisverweigerungsrecht zu erlangen, ein Verwertungsverbot verneint hat (BGH, Urteil vom 08. Dezember 1999 – 5 StR 32/99 –, BGHSt 45, 342-354).

 

Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Einführung einer früheren Aussage wenn in einer richterlichen Vernehmung erfolgte, durch die Vernehmung dieses Richters dennoch möglich sein (siehe nur: BGH, Beschluss vom 15. Juli 2016 – GSSt 1/16 –, BGHSt 61, 221-245). Voraussetzung ist dann, dass der Zeuge in dieser früheren Vernehmung über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wurde (so abschließend erst der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofes in der zitierten Entscheidung GSSt 1/16, aktuell: BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 1 StR 222/23, zitiert nach bundesgerichtshof.de, dort Rn. 7). Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber der richterlichen Vernehmung einen höheren Stellenwert eingeräumt habe (z.B. BGH, Urteil vom 20.03.1990 - 1 StR 693/89 in NStZ 1990, 349, beck-online).

 

Dem Zeugen steht es frei, sein Zeugnisverweigerungsrecht nur für die Zukunft auszuüben, so dass frühere Angaben durch die Vernehmungsperson oder den Sachverständigen (zur Anwendbarkeit des § 252 StPO bei Befragungen durch Sachverständige vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2000 – 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 193) in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (BGH, Beschluss vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 207).

 

Ungeklärt war bislang die Frage, ob der Zeuge seinen Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht auf einzelne Vernehmungen beschränken kann. Hierzu hat nunmehr der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 - 1 StR 222/23 (hier zitiert nach bundesgerichtshof.de) Stellung genommen und einen derartigen Teilverzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich einzelner Vernehmungen für unzulässig gehalten (BGH, aaO, Rn. 10).

 

Zur Begründung verweist der Senat zu Recht darauf, dass der Zeuge nur insoweit über das, sich aus seinem Zeugnisverweigerungsrecht resultierende Beweisverwertungsverbot zu verfügen befugt ist, als das es seinem Schutz dient (aaO,). Weiter führt er aus:

 

"Schutzzweck des § 252 StPO in Verbindung mit § 52 Abs. 1 StPO ist es indes ausschließlich, die Entscheidungsfreiheit des Zeugen dahin zu gewährleis-ten, ob er in einem Strafprozess gegen einen Angehörigen aussagen und so ge-gebenenfalls zu dessen Belastung beitragen möchte (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1952 – 3 StR 1199/51, BGHSt 2, 351, 354 und vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 207). Das bedeutet: Der Zeuge kann entschei-den, ob er sich als Beweismittel zur Verfügung stellen will oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 445/02, BGHSt 48, 294, 298 mwN). Darüber hinaus hat er kein schützenswertes Interesse daran, den Umfang der Verwert-barkeit der von ihm bereits vorliegenden Angaben zu bestimmen (Cirener/Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 252 Rn. 25), weshalb insoweit im Inte-resse des Angeklagten und der Allgemeinheit an der Wahrheitserforschung seinem Einfluss auf das Strafverfahren Grenzen zu ziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 445/02, BGHSt 48, 294, 299)."

 

Als Folge eines solchen unzulässigen Teilverzichts sei dieser dann wie eine umfassende Zeugnisverweigerung mit der Folge eines umfassenenden Verwertungsverbotes zu behandeln (BGH, aaO, Rn. 11).

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